Fanstory 8.1

  • Als ich erwachte, schienen die Sonnenstrahlen zwischen den Lamellen des Rollladens hindurch und warfen viele gleichmäßig angeordnete kleine Lichtflecken auf die Bettdecke.
    Ich blinzelte verschlafen, drehte mich auf die Seite und blickte auf das Display meines Weckers.12 Uhr mittags. Ich seufzte, warf die Bettdecke zur Seite und richtete mich langsam auf, dann stellte ich meine Füße auf den Boden, stand auf und tapste langsam Richtung Badezimmer. Als ich an der Treppe vorbei kam, flitzte Bella die Treppe hoch und sah mich erwartungsvoll an. Ich blieb kurz steh und sah die bettelnde Hundedame an, von der ich nicht genau wusste, was genau sie von mir wollte oder erwartete, dann zuckte ich mit den Schultern, machte einen großes Schritt über sie und tapste weiter. Als ich nach einer halben Stunde wieder aus der Dusche kam, war AnnaSophia bereits aufgewacht und saß neben Bella, die ihren Kopf auf AnnaSophias Schoß gelegt hatte.
    „Morgen.“ Begrüßte sie mich noch etwas verschlafen und kraulte Bella hinter dem Ohr.
    „Hey. Was wollte Bella vorhin, als sie mich so bettelnd angesehen hat?“
    Ich setzte mich neben AnnaSophia auf das Bett und gab ihr einen Kuss.
    „Sie wollte schmusen. Und raus.“
    „Hm. Irgendwie muss ich mein Hündisch noch verbessern.“
    „Solange du auch noch mit mir redest, hab ich nichts dagegen.“
    „Keine Angst. Mit dir kann man besser reden, als mit Bella.“
    Ich grinste, ging ins Wohnzimmer und während AnnaSophia sich fertig machte, richtete ich das Frühstück her. Es war Samstag und AnnaSophias Eltern waren über das Woche zu bekannten nach Los Angeles geflogen. Ich hatte mich grinsend dafür bereit erklärt, während ihrer Abwesenheit auf AnnaSophia „aufzupassen“. Dass AnnaSophia und ich uns dabei ein Bett teilten, hatten wir ihnen allerdings, zusammen mit ein paar anderen Kleinigkeiten, verschwiegen.
    (Fortsetzung folgt 8) )

  • Seit dem letzten Einsatz hatte ich meinen alten Roboterarm im Hauptquartier der ASRSG verstaut. Mit dem alten Roboterarm verband ich zu viele schlechte Erfahrungen und Erinnerungen. Durch das Ablegen des Armes hatte ich auch E35s Identität und damit seine Erlebnisse abgelegt - das hatte ich jedenfalls gehofft.
    Mein neuer Roboterarm war wesentlich fortschrittlicher konstruiert. Der Arm an sich war extrem leicht und die Gelenke waren weitaus beweglicher, aber am meisten war an den Tastsensoren gearbeitet worden. Ich spürte viel besser und konnte dementsprechend auch feinere Bewegungen mit den Fingern machen. Es gab also nichts, weshalb ich den alten Roboterarm vermisst hätte. Doch, eine Sache gab es, die ich vermisste. Mein neuer Arm hatte eine kleine Macke. Nichts großartiges, im Alltag aber doch mehr als lästig. Während meines Gedankenflugs war ich die Treppe hinunter gegangen, hatte die Küche betreten und stand vor dem Kühlschrank.
    Ich schloss meine Roboterhand um den Griff des Kühlschrankes, öffnete ihn und nahm die Butter heraus. Ich drehte mich um, gab der Tür genug Schwung, um zuzufallen und drehte mich schon im Gehen zum Küchentisch, als etwas heftig an meinem Roboterarm ruckte und mich nach hinten riss. Ich landete auf dem Boden, mit der linken Hand immer noch um den Griff geschlossen.
    „Jetzt klemmt dieses behinderte Ding schon wieder!“ fluchte ich in Gedanken und kämpfte mich umständlich auf die Beine, dann löste ich den Klammerverschluss und bog vorsichtig die künstlichen Finger auf. Als ich beim Zeigefinger angekommen war, begann wieder das alte Spiel, denn wie jedes mal hatte sich im Fingergelenk ein Kabel verklemmt, sprich: je weiter man den Finger aufbog, desto mehr verklemmte sich die ganze Geschichte, bis schließlich irgendwann überhaupt nichts mehr ging. Nicht vor und nicht zurück. Dieses kleine aber feine Problem trat immer dann auf, wenn ich nicht daran dachte und noch weniger damit rechnete. Umso mehr wurde ich dann natürlich überrascht, wenn es auftrat, oft begleitet von schmerzhaften Nebenwirkungen.
    „Was ist los?“ fragte AnnaSophia von oben, die wohl meine unsanfte Landung gehört hatte.
    „Nicht, bin nur am Kühlschrank hängen geblieben.“
    „Wieder mit der Hand?“
    „Ja. Das Teil bringt mich noch mal um.“
    „Warum nimmst du nicht deinen alten Arm?“
    „Weil ich nicht immer mit drei Klingen herumlaufen will.“
    „Lieber mit drei Klingen, als mit klemmenden Fingern.“
    „Lieber mit klemmenden Fingern, als mit einem Unglücksbringer.“
    Dieser Dialog war bei uns inzwischen Standart, wir beteten ihn immer wieder runter – wohl in der Hoffnung, der jeweils andere würde endlich mal seine Position wechseln und neue Argumente bringen – aber dem war nicht so. Tatsächlich war auch AnnaSophia froh darüber, dass sie nicht dauernd den Roboterarm mit den drei langen Klingen angucken musste, der so viel Blut vergossen hatte und sie zweifelsohne mehr an die vergangenen Ereignisse erinnerte als mich.
    Als ich nach einer geschätzten Ewigkeit die Hand von dem Griff losbekommen hatte, war AnnaSophia bereits vom Gassi gehen mit Bella zurück und wartete am Frühstückstisch.
    „Warum nimmst du nicht deinen alten Arm? Und erzähl mir jetzt nicht wieder, dass dein Neuer viel besser ist.“
    Diesmal handelte es sich um einen neueren Standartdialog, mit dem wir erst vor wenigen Tagen begonnen hatten.
    „Weil ich das hinter mir habe.“
    „Das ist DEIN Arm! Der gehört zu dir wie dein Kopf! Du kannst nicht einfach deine Gliedmaßen wechseln.“
    „Logisch kann ich das. Dieser dreispießige Zahnstocher gehört in ein anderes Leben.“
    „Mit wem bin ich dann zusammen? Mit dir oder mit E35?“
    Die Frage war zwar kein direktes Argument, aber irgendwie ja doch.
    Ich seufzte und verdrehte die Augen. AnnaSophia hatte recht. In letzter Zeit hatte ich ständig versucht, die Geschehnisse der vergangen Jahre einem anderen Ich zuzuschieben. Ich wollte nicht mehr der heldenhafte E35 sein, auch nicht zur hälfte und die neue Hand die in letzter Zeit mehr Ärger und Umstände verursachte, als sie von Nutzen war, war nur ein Beispiel. Trotzdem gelang es mir nicht, mein E35-Denken und Handeln abzustellen, denn sobald AnnaSophia und ich nur vor das Haus gingen, sprangen sofort wieder sämtliche angewöhnten Mechanismen an, ich sah mich ständig um und sah hinter jedem Busch einen Li oder Brown. Nachts träume ich von den Kämpfen mit Li, allerdings variierten sie von Traum zu Traum in einer so großen Vielfalt, dass ich mir manchmal selbst im wachen zustand nicht mehr ganz sicher war, was ich geträumt hatte und was wirklich passiert war.
    Ich kaute nachdenklich auf meinem Müsli und starrte die Wand an. Nach einigen Minuten Schweigen schenkte ich den Blick auf AnnaSophia, die mich mit hochgezogener linker Augenbraue musterte. Ihre letzte Entführung war inzwischen über ein Jahr her, es war Anfang Juli und heißester Sommer. Meine Schussverletzungen waren beinahe Spurlos verheilt, nur am Brustkorb war eine auffällige Narbe zurückgeblieben.
    „Was ist mit dir?“ fragte AnnaSophia und blickte mich an.
    „Ach nichts. Ich habe nachgedacht.“
    „Kaust du dabei immer auf nichts?“
    Ich blinzelte verwirrt und brauchte kurz, bis ich kapierte, was sie meinte. Ich hatte schon vor geraumer Zeit das gekaute Müsli geschluckt, ohne es zu merken, und weiter gekaut.
    Ich schüttelte leicht irritiert den Kopf und musste grinsen.
    „Ich glaube, ich muss mal an die frische Luft.“ Stellte ich fest und trank meinen Kaffe.
    „Lässt sich machen. Gehen wir in den Park?“
    Ich nickte zustimmend.
    (Fortsetzung folgt 8) )

  • Der Park war mittelmäßig besucht. Als ich den ersten Schritt auf den Schotterweg machte, vielen mir sofort zwei Kerle in Anzügen auf der anderen Seite der Anlage auf.
    AnnaSophia folgte meinem Blick und atmete genervt ein.
    „DIE sind keine Gefahr. Der eine ist unser Bürgermeister und der andere ist sein Sekretär.“
    „Tut mir leid. Es ist einfach…“
    „Gewohnheit, ich weiß. Du musst endlich mal abschalten, sonst wirst du noch verrückt.“
    „Das bin ich, seit ich dich das erste Mal in Brücke nach Terabithia gesehen habe.“
    „Jetzt hör aber auf!“ rief AnnaSophia und wurde ein bisschen rot im Gesicht.
    Wir gingen durch eine Beetanlage, setzten uns auf eine Parkbank und sahen Bella zu, die freudig durch die Wiese wetzte.
    AnnaSophia nahm meine Hand.
    „Du denkst ja schon wieder nach!“
    „Nein, mache ich nicht.“
    „Über was hast du nachgedacht?“
    „Nichts Wichtiges.“
    „Sag es.“
    „Ich glaube nicht, dass das dir gefallen wird.“
    „Ich will es trotzdem wissen.“
    „Na gut. Ich habe mich gerade gefragt, warum uns die beiden Typen da drüben so verstohlene Blicke zuwerfen.“
    „Jetzt hör auf mit deinem Verfolgungswahn. Das macht mich nervös.“
    „Du wolltest es unbedingt hören.“
    „Ich dachte, du hättest… vergiss es. Könntest du einfach mal abschalten? Einfach den ganzen Überwachungsmechanismus ausklinken?“
    „Ich versuche es.“
    „Versuch es nicht, tu es!“
    Wir blieben noch einige Zeit sitzen und ließen uns von der Sonne anscheinen, dann machten wir uns auf den Heimweg. In der Stadt herrschte Samstagsverkehr. Es waren noch viele Menschen unterwegs und tätigten letzte Einkäufe, bevor die Läden das Wochenende über Schlossen und so kamen wir nur langsam voran. An einem Kiosk blieb mein Blick an der Schlagzeile einer Zeitung haften, die mit dicken Buchstaben verkündete: „International gesuchter Drogendealer bei Autounglück gestorben.“
    International Gesucht? Ich kannte nur einen einzigen Drogendealer mit Namen und der hieß Brown. Konnte es sein, dass er…?
    „Was ist los?“ fragte AnnaSophia, die meine Abwesendheit bemerkt hatte. Inzwischen waren wir schon einige Meter weitergelaufen.
    „Hast du die Zeitungsüberschrift gelesen?“ fragte ich, ohne zu ihr zu gucken, zog meinen Geldbeutel aus der Hosentasche und machte kehrt, um zum Kiosk zurück zu laufen.
    „Was? Welche Zeitung?“ fragte AnnaSophia verwirrt. Ich lief zu dem Kiosk, drückte dem Verkäufer einen Haufen Kleingeld in die Hand und schnappte mir eine Zeitung.
    „Würdest du mir bitte jetzt mal sagen, was los ist?“
    „International gesuchter Drogendealer bei Autounglück gestorben.“ Rezitierte ich die Überschrift und hielt sie AnnaSophia vor die Nase.
    „Glaubst du, damit ist Brown gemeint?“
    „Ich hoffe es wenigstens.“
    „Also, die Polizei hat in den letzten Jahren zwar große Vorschritte in Sachen Drogenbekämpfung verbucht, aber es gibt immer noch mehrere Millionen Dealer in den USA. Warum sollte ausgerechnet Brown der Dealer sein, der einen Autounfall hatte?“
    „Ich sag ja nicht, dass er es ist. Ich hoffe es nur.“
    AnnaSophia seufzte und rollte genervt mit den Augen.
    „Film-reife Verfolgung endet tödlich. Heute Morgen haben Beamte des Zolls bei einer Routinekontrolle ausgerechnet den Wagen des international gesuchten Drogendealers Frederik Brown erwischt. Brown missachtete die Anweisungen der Beamten, auf dem Seitenstreifen zu halten und versuchte zu fliehen. Die beiden Beamten nahmen die Verfolgung auf. Erst nach einer Stunde, in der siebzehn Streifenwagen und zwei Helikopter eingesetzt wurden, konnte der Flüchtige durch eine Straßensperre gestoppt werden. Bei der Verfolgungsfahrt wurden die Wagen mehrerer Verkehrsteilnehmer leicht beschädigt. Zwei Streifenwagen der Polizei wurden stark beschädigt, als Brown durch die Nagelbänder und anschließend ungebremst in die Straßensperre raste. Sein Wagen überschlug sich und brannte komplett aus. Brown starb in dem Unfallwagen. Nach Polizeiangaben gab es keine weiteren Verletze. Der Schaden wird auf 20.000$ geschätzt.“
    Ich faltete demonstrativ die Zeitung zusammen und lächelte.
    „Du hattest recht, es war wirklich ziemlich unwahrscheinlich, dass es sich um Brown handeln würde, aber er war es tatsächlich.“
    (Fortsetzung folgt 8) )

  • Ich spürte etwas, das mir zwischen meinen Augen gegen die Stirn drückte. Ich versuchte zu atmen, aber ich war wie gelähmt. Bewegungsunfähig musste ich zusehen, wie sich der Finger der Hand langsam um den Abzug der Waffe krümmte, immer weiter. Quälend langsam wurde der Abzug immer weiter nach hinten gezogen, begleitet von einem hämischen Lachen, das mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Ein mechanisches Klicken ertönte, als der Abzug anschlug und den Federmechanismus auslöste. Der Lauf der Waffe ruckte, als die Zündnadel in der Zündkammer nach vorne schnellte und den kleinen Sprengsatz des Projektils zündete. Ein ohrenbetäubender Knall, ein stechender Schmerz in meiner Stirn, der sich im gesamten Kopf verteilte, dann erwachte ich.
    Ich saß immer noch in der Kirche beim Sonntagsgottesdienst. Ich war wohl eingenickt und dann mit dem Kopf an die vordere Banklehne gestoßen, meine Stirn schmerzte nämlich wirklich. Ich atmete tief durch und sah auf die Uhr. Es war gleich elf Uhr und damit kurz vor Ende dieser endlosen Rederei, die der Pfarrer vorne abhielt. Prompt fragte ich mich, wie die Leute im Mittelalter darauf gekommen waren, am Sonntagmorgen so früh in die Kirche zum Gottesdienst zu gehen, wo doch in den ganzen alten Schrift der geflügelte Satz „am siebten Tage sollst du Ruhen“, oder wenigstens inhaltsähnliche Passagen, vorkamen.
    Ich schüttelte den Kopf und setzte eine andächtige Miene auf, als würde ich genau wissen, wovon der Mann vorne gerade redete. In Wirklichkeit hatte ich natürlich keine Ahnung, aber alle anwesenden - AnnaSophia, die direkt neben mir saß, inklusive - waren so in den Gottesdienst vertieft, dass sie nicht einmal das dumpfe „Klonk“ der Kirchenbank bemerkt hatten. Warum also unnötig auffallen, wenn es bis jetzt kein Schwein gemerkt hatte?
    Als schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit, genauer gesagt nach fünf Minuten, endlich alles vorbei war, stand ich mühsam auf und parkte mich aus der engen Bank aus. Fünf Minuten konnten endlos langsam vergehen, vor allem, wenn man nichts zu tun hat und von einer derart monotonen Pfarrerstimme eingelullt wurde.
    „Wie hat es dir gefallen?“ fragte AnnaSophia erwartungsvoll.
    „Sehr…entspannend.“ Gab ich zu und wankte mit steifen Beinen Richtung Kirchentor.
    „Du bist eingeschlafen.“ Riet AnnaSophia.
    „Fast.“
    AnnaSophia blickte mir mit einem verliebt-tadelnden Blick in die Augen.
    „Du bist unverbesserlich.“ Stellte sie schließlich fest, während wir das Kirchengebäude verließen.
    „Bei mir zuhause haben wir immer bis halb zwölf gepennt und dann die Sendung mit der Maus angeschaut…das ist wesentlich angenehmer.“
    Außen schien die Sonne und ein leichter, frischer Wind wehte. Es war Sonntagmorgen – oder doch eher Mittag? – und ich spürte ein ungemein großes Verlangen nach Schweinsbraten. Nach dem Mittagsessen würden wir uns ein bisschen hinlegen und anschließend irgendwann AnnaSophias Eltern vom Flughafen abholen.
    Als wir auf der Kirchentreppe waren riss mich eine dunkle Gestallt aus meinen Gedankenflügen. Mir gefror das Blut in den Adern und mein Herz setzte aus. Hastig schob AnnaSophia zur Seite hinter die Menge der Kirchenbesucher und zu einem Auto.
    „Was ist los? Spinnst du jetzt völlig?“ fragte AnnaSophia, als ich sie hinter den PKW zerrte und runter drückte. Ich schüttelte den Kopf.
    „Kennst du den Typ da?“ fragte ich und deutete durch die Heckscheibe des Wagens auf den Schlägertypen, wegen dem ich so erschrocken war.
    „Der sieht aus wie…“
    „Kowalski.“
    „Was sucht der denn hier?“
    „Jedenfalls nicht Kontakt zu Gott. Der Typ macht sich nicht mal die Mühe, über ihn zu fluchen.“
    „Du solltest dir ein Beispiel an ihm nehmen.“ Schlug AnnaSophia vor.
    „Soll ich dich auch entführen?“
    „Wäre bestimmt aufregend.“
    AnnaSophia grinste und ich zog eine Augenbraue hoch, dann sah ich wieder zu Kowalski, der sich jetzt etwas abseitig an eine Hauswand gelehnt hatte und erwartungsvoll zur Kirchentür blickte, wo immer noch die Besucher heraus quollen wie aus einem zu kleinen Topf, in dem man zu viel Popkorn machte.
    „Worauf wartet der? Auf die Erleuchtung?“
    „Einem Typ wie dem geht nur ein Licht auf, wenn du ihm mit der Taschenlampe in die Pupillen leuchtest.“
    (Fortstezung folgt 8) )

  • Kowalski drehte sich hastig um, als fürchtete er, von jemandem entdeckt zu werden, und warf einen vorsichtigen Blick über die Schulter. Nach kurzem Warten drehte er sich um und lief ins unsere Richtung.
    „Er hat uns entdeckt!“ zischte AnnaSophia und wollte losrennen, aber ich hielt sie fest.
    „Nein. Der ist nicht hinter uns her, sondern hinter der da.“
    Ich nickte zu der jungen Frau, vielleicht drei Jahre älter als ich, die gerade an uns vorbei ging, und krabbelte auf die Straße.
    Als Kowalski an dem Auto vorbei lief, hinter dem wir uns Versteckten, sah er sich noch einmal prüfend um und beschleunigte dann sein Schritttempo. AnnaSophia atmete erleichtert auf und sah dem Schläger nach, der der jungen Frau bei der nächsten Kreuzung um die Ecke folgte. Wir warteten noch einen Augenblick, dann liefen wir zur Häuserecke und lugten vorsichtig um die Ecke. Da war Kowalski, er stand etwa zwanzig Meter weiter. Und ihm gegenüber stand die junge Frau. Sie schienen sich angeregt miteinander zu unterhalten, aber ich konnte nicht verstehen worüber.
    „Kannst du was verstehen?“ fragte ich gerade so laut, dass AnnaSophia mich hören konnte und sie schüttelte nur den Kopf.
    Kowalski legte der Frau beschwichtigend eine Hand auf die Schulter, beinahe gleichzeitig fuhr eine Limousine um die Kurve und hielt am Straßenrand. Die Frau und Kowalski verabschiedeten sich, dann stieg sie in den Wagen und Kowalski schlenderte die Straße entlang, weg von uns.
    „hast du gesehen, wie kultiviert der Typ sein kann?“ fragte AnnaSophia verblüfft und sah mich an, aber ich war schon wieder anderwärtig beschäftigt. Irgendwo, hinter einem der unzähligen Fenster, spürte ich ein paar scharfer Augen, das uns seit dem Verlassen der Kirche genau beobachtete.
    Ich ließ meinen Blick über die Häuserfassaden schweifen, konnte aber nichts entdecken.
    „Was ist los?“ fragte AnnaSophia beunruhigt. Sie hatte zweifellos bemerkt, dass ich etwas Ungewöhnliches roch.
    „Wir werden beobachtet. Ich denke wir sollten besser gehen.“ murmelte ich, nahm ihre Hand und lief zurück Richtung Kirche. Wir stiegen in das Auto, ich startete den Motor und lenkte den Wagen dann durch den Sonntagsverkehr.
    „Bist du dir sicher, dass wir beobachtet wurden?“ fragte AnnaSophia mich, nachdem wir nicht einmal 50 Meter gefahren waren.
    „Ganz sicher. Aber es war irgendwie komisch. Es war nicht das Gefühl der Beobachtung, wegen dem man gleich einen Angriff befürchten muss.“
    „Das Gefühl kenne ich. Bevor wir uns damals das erste Mal begegnet sind, habe ich auch ständig das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden. Das bildest du dir ein.“
    Was AnnaSophia nicht wusste: Sie war damals wirklich beobachtet worden. Nämlich von der ASRSG. Das war damals vor meinem ersten Einsatz gewesen und AnnaSophia hatte noch überhaupt nichts von ihrem fanatischen Fanclub gewusst. Besser, sie erfuhr das auch gar nicht. Statt also groß zu widersprechen zuckte ich mit den Schultern und seufzte.
    Die ASRSG. Sie war damals ein kleiner Verein gewesen, mit knapp hundert Mitgliedern. Die meisten meiner damaligen Kollegen hatten sich inzwischen abgeseilt oder waren wegen ihren Verletzungen gezwungen gewesen, die Aktivität einzustellen. Übrig geblieben war nur E36. Mit der Zeit waren immer mehr Mitglieder hinzugekommen.
    Erst Dave, Kingwitty, Webmaster, Asrloverock und Shengo, dann BullTech, Lordi, Roflduhastlol, Mufuß, Jarak, Mindful, Patrick, Anastasia, und dann noch Goofan, Tera und Harold.
    Wir hatten inzwischen so viel miteinander erlebt, so viel durchgemacht, aber trotzdem seilten sich auch hier langsam einige ab. Von Roflduhastlol und Shengo hatte ich schon eine ganze Zeit lang nichts mehr gehört, genauso hatte ich Mufuß, Jarak und Harold aus dem Auge verloren.
    „Schade eigentlich.“ Murmelte ich und trommelte ungeduldig auf das Lenkrad. Vor uns, etwa hundert Meter weiter, war die Ampel Grün, aber die Autos fuhren nicht.
    „Was ist schade?“ fragte AnnaSophia.
    „Ach nichts, ich hab nur laut gedacht. Ja Himmel noch mal, könnt ihr mal eure dämlichen Kisten über die Ampel heben? Gründer wird’s nicht mehr!“ schimpfte ich und drückte auf die Hupe. Sofort antworteten etliche andere Hupen in den verschiedensten Tonhöhen und ergaben einen Gesamt- Ton, bei dem sich einem Musiker sämtliche Zehnnägel hoch gerollt hätten.
    „Hör auf zu fluchen, das bringt auch nichts.“
    „Stimmt. Ich sollte aussteigen und anschieben helfen, vielleicht kommen wir dann auch noch dieses Jahrhundert über die Kreuzung.
    „Das sind Sonntagsfahrer.“ Versuchte AnnaSophia mich zu beschwichtigen.
    „Sonntagsfahrer? Wenn das hier alles Sonntagsfahrer sind, haben sich alle Sonntagsfahrer der vereinigten Staaten in dieser Stadt versammelt. So viele Einwohner hat Denver gar nicht wie hier Autos die Straßen blockieren. Wo verdammt noch mal wollen die alle hin? Und wo stellen die Ihre Autos ab? Auf dem Schrottplatz?“
    „Die wollen alle dahin, wo wir auch hin wollen.“
    „Ich weiß.“
    Korrekt ausgedrückt: AnnaSophia wollte da hin. Nicht ich. Aber ich kam mit. Seit Freitagmorgen herrschte in Denver Verkehrschaos. Die ganze Welt schien in die Stadt zu strömen um sich auf der „generell Exhibition“, das hieß so viel wie „allgemeine Messe“ umzugucken.
    „Wieso haben wir das Auto genommen?“ fragte ich gequält und versuchte die Ursache für den Stau zu sehen.
    „Weil wir erst eine halbe Stunde vor Beginn des Gottesdienstes aufgewacht sind.“ Antwortete AnnaSophia sachlich.
    „Bella hat nicht laut genug gebellt.“
    „Nee du, du hast den Wecker nicht gestellt.“
    „Wer stellt denn bitte einen Wecker, wenn er einen Hahn hat, der auf dem Misthaufen kräht?“
    „Bella ist erstens kein Hahn, sondern eine Hundedame, und zweitens ist es nicht ihre Aufgabe, uns zu wecken, wenn wir früh raus wollen.“
    „Du wolltest Früh raus. Von mir aus hätten wir auch noch bis zwölf Uhr schlafen können.“
    AnnaSophia verdrehte genervt die Augen.
    „Gut, das nächste Mal stelle ich den Wecker. Himmel noch mal. Zur Information, das linke Pedal ist nicht das Gas sondern die Bremse, ihr Pfeifen! Das Gaspedal ist rechts! “ fluchte AnnaSophia und schlug auf das Handschuhfach. Ich zog eine Augenbraue hoch. AnnaSophia war wenigstens genauso gereizt wie ich, kein Wunder also, dass wir uns gerade etwas in die Haare gekommen waren. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der wir noch geschätzte tausend Kreuzungen überstanden und mindestens doppelt so viele Ampelphasen gewartet hatten, hatten wir das Verkehrschaos hinter uns. Ich parkte das Auto auf der Garagenauffahrt und stieg absolut entnervt aus. Noch nie war ich so froh gewesen, aus dem Blechhaufen rauszukommen. Ich hatte schon Verfolgungen gefahren, war bei Rot mit vollem Karacho in den Kreuzungsverkehr gebrettert, hatte schießwütige Verfolger abgehängt und war ihren Kugeln ausgewichen, ich wäre einmal sogar von einer Bazooka fast samt Auto und AnnaSophia in die Luft gejagt worden, aber das gerade eben erlebte Verkehrschaos war noch einmal von einer ganz anderen Qualität gewesen.
    (Fortsetzung folgt 8) )

  • Wir warteten. Als hätten wir nach dem Gottesdienst im Straßenverkehr – beziehungsweiße Straßenchaos – nicht schon genug gewartet, nein, jetzt warteten wir wieder. Zwar reihten sich dieses Mal nicht endlose Kilometer Personenkraftwagen aneinander, sondern ein Messebesucher hinter dem nächsten, aber wir warteten wieder. Zum etwa vierten Mal wiederholte ich, wie wir vom Haus der Familie Robb über eine Stunde durch Denver gelaufen waren, bis wir endlich am Ende einer unendlich langen Warteschlange vor dem Eingang des Messegeländes angekommen waren. Sicher war: wir waren zu Fuß eindeutig schneller angekommen, als andere mit dem Auto. Wir hatten nach der nervenaufreibenden Autofahrt etwas Kleines zu Mittag gegessen, und nach der Hitze in dem Auto war für jeden auch eine Dusche hinfällig gewesen. Dann waren wir losgegangen. Die endlosen Straßen entlang, die im perfekten Gittermuster die Stadt in Häuserblocks einteilten. Das System mit den Straßennamen hatte ich immer noch nicht gepeilt, aber das nur nebenbei. Ab und zu hatte ich mal den Verdacht, wir würden verfolgt, aber wenn ich mich umdrehte hatte ich nie etwas Auffälliges bemerkt. Ich sah mich und AnnaSophia gerade um die Ecke biegen, da spürte ich wieder dieses Verfolgt werden. Wie immer drehte ich mich um und ließ meinen Blick über die Häuser und Straßen hinter uns schweifen. Ich hatte diese Szene inzwischen bereits dreimal wiederholt, ich befand mich beim vierten Durchgang, und dieses mal viel mir etwas auf, das ich bis jetzt übersehen hatte. Da, hinter einem schwarzen VW, sah ich einen Kopf mit schwarzer Sonnenbrille. Ich zwinkerte und als meine Augen wieder geöffnet waren, war der Kopf verschwunden. Wir waren also wirklich verfolgt worden. Diese Erkenntnis erfüllte mich mit Erleichterung, denn ich war eindeutig nicht verrückt, gleichzeitig machte der Schreck über diese Erkenntnis meine Gliedmaßen schwer wie Blei. Sollte ich es AnnaSophia erzählen? Wenn ja, wie viel sollte ich ihr erzählen? Und würde sie mir glauben oder mich als komplett verrückt erklären?
    Bevor ich die Fragen sortieren konnte, die sich mit meiner Erkenntnis und der wieder und wieder durchgekauten Erinnerung des Weges bereits zu einem engen und festen Gedankenknäul verknotet hatten, riss mich eine Stimme mit extrem Englischem Dialekt aus meinen Gedanken.
    „Was hätten sie gerne?“ fragte der Typ hinter dem Schalter. Er war ein blasser junger Mann mit einem emotionslosen Gesicht und einer extrem krummen Sitzhaltung.
    „Zwei Mal Tageseintritt bitte.“
    „Dreißig Dollar bitte.“
    Wir bezahlten und betraten nur kurz danach die riesige Eingangshalle.
    Im Vorbeigehen nahm ich einen Ausstellungsplan mit.
    „So, wo willst du jetzt hin?“ fragte ich und klappte den Plan auf. Die Messe erstreckte sich über 5 Messehallen, in denen praktisch alle Neuheiten ausgestellt wurden, die auf diesem Planeten produziert wurden.
    (Fortsetzung folgt 8) )

  • AnnaSophia überflog kurz die Kartenlegende und deutete dann mit einem Finger auf eine Ecke in Halle 3, wo anscheinend Malereineuheiten ausgestellt wurden. Ich sparte mir die Frage, was sie in dieser Ecke denn wolle, und suchte stattdessen nach einem Wegweißer, der uns zur Halle 3 frühren würde. Als sich weit und breit keine Wegweißer blicken ließen, drehte ich mich spontan nach links und ging los.
    Stau, wieder nichts als Stau. Wir liefen im dichten Menschenstrom, ein Schritt, noch ein Schritt, dann standen wir wieder, weil sich vor uns jemand die neue Trillerpfeifengeneration angucken musste und deswegen natürlich mitten im Weg stehen blieb. Eins war mir klar. Der Verkehr auf der italienischen Autobahn war ein Witz im vergleich zu dem Chaos, das die unzähligen Messebesucher auf Denvers Straßen und dem Messegelände veranstalteten. Die Messestände waren genauso aufgebaut wie die Stadt selbst. Breite Straßen teilten die Hallenflächen in gleichgroße Quadrate, auf denen die Stände mit ihren Ausstellungsstücken standen. Mit einem Mal fühlte ich mich ungemein unwohl in der Menschenmasse und ich spürte den Blick eines Beobachters im Nacken. Ich blickte mich um und konnte in der Menschenmenge hinter uns einen Kopf mit schwarzer Sonnenbrille erkennen, der nur einen Augenblick später in der Menge verschwand. Ich hatte keine Ahnung, was AnnaSophia an neuen hochmodernen Mikrofaserkurzhaarborstenpinseln mit ergonomisch optimal einstellbarem Streichwinkel und Selbstreinigungsfunktion so interessant fand – das als Beispiel genannte Pinselmodel nannte sich übrigens MFKHBP-eoe-S+S 2350 – aber das interessierte mich in diesem Moment auch herzlich wenig. Viel weniger, als der Menschenstau vor uns und unser Verfolger hinter uns.
    „Wir werden verfolgt.“ Raunte ich AnnaSophia zu und schob mich an einem Älteren Herren vorbei, der beschlossen hatte, mitten im weg stehen zu bleiben, um einen Blick auf seinen Ausstellungsplan zu werfen.
    „Was machen wir?“ fragte AnnaSophia und warf einen Blick über die Schulter, konnte aber anscheinend nichts Auffälliges entdecken. Wir erreichten eine Kreuzung und auf einmal – von jetzt auf gleich war die Menschenmenge lichter. Ich nahm AnnaSophias Hand und zog sie nach links um die Kurve. Als ich mich wieder umblickte, erkannte ich wieder die Sonnenbrille, die nur Millisekunden später hinter einer Frau verschwand.
    Ich beschleunigte meinen Gang, bog nach rechts ab und urplötzlich standen uns drei Schlägerfiguren gegenüber. Bevor ich wusste, was los war, kam die erste Faust angeflogen. Der Schlag traf mich mit voller Wucht vor die Brust, ich taumelte zurück, der nächste Angriff riss mich von den Füßen und ich kippte mit einem überraschten Aufschrei nach rechts über einen Ausstellungstisch, auf dem die neueste Heimwerkerausrüstung ausgebreitet lag. Ich landete hart auf dem Boden, etwas Schweres Schlug mir in den Rücken – ich vermutete dem Gefühl nach eine mit Funktionen überladene Bohrmaschine – und raubte mir den Atem. Ich kämpfte mich Mühsam auf die Beine und stellte zu meiner Zufriedenheit fest, dass es sich wirklich um eine Bohrmaschine gehandelt hatte, aber bevor ich den Sperrigen Modellnamen lesen konnte, war mein Widersacher wieder in reichweite.


    (Fortstezung folgt 8) )

  • Spontan packte ich das Kabel der Bohrmaschine, der Schläger, der mich über die Auslage befördert hatte, machte einen Sprung über dieselbige, dann stand er vor mir und bekam im nächsten Moment die Bohrmaschine vom Typ BOR-2012 gegen die Schläfe. Der massige Körper kippte zur Seite und riss einen gläsernen Prospekt-Ständer um, der krachend am Boden in tausend Scherben zerplatzte. Ich drückte dem Aussteller, der die Szene mit weit aufgerissenen Augen beobachtet hatte, mit einem freundlichen Nicken die Bohrmaschine in die Hand und lief zu AnnaSophia, die den zweiten der Schläger mit Mühe in Schach hielt. Ich wartete bis sich eine Gelegenheit bot, dann verpasste ich dem Schläger einen Tritt in die Kniekehle. Er donnerte auf die Knie, AnnaSophia nutzte die Gelegenheit und rammte ihm ihr Knie in den Magen.
    „Gutes Timing.“ Bemerkte ich nebenbei und sah mich nach dem dritten Schläger um.
    „Waren die nicht zu dritt?“ fragte AnnaSophia und blickte sich ebenfalls um.
    „Ja. Einer hat den Gehäusehabdruck einer BOR-2012 auf der Schläfe und einer hat sich vor dir hingekniet. Bleibt noch einer.“
    Ich war gerade mit der Aufzählung fertig, da knallte hinter uns ein Schuss. AnnaSophia und ich fuhren herum und sahen gerade noch, wie der dritte Schläger mit schmerzverzerrtem Gesicht auf uns zuwackelte. Ein letzter Schritt, dann kippte er nach vorne um und blieb vor unseren Füßen liegen. Als der Massige Körper am Boden lag, konnten wir den Schützen sehen. Er trug eine Sonnenbrille, eine schwarze Jacke, schwarze Hose und schwarze Schuhe.
    Nur die Schriftzüge auf der Jacke waren in knalligem Gelb.
    „E35, AnnaSophia. Freut mich euch kennen zu lernen.“ Begrüßte uns das ASRSG-Mitglied.
    „Wir freuen uns auch. Du bist Basti, nehme ich an?“ fragte AnnaSophia freundlich. Den Namen hatte sie von der gelben Aufschrift abgelesen.
    „Stimmt. Wir beobachten euch schon seit heute Morgen. Dave hatte ein komisches Gefühl.“
    „Ich habs gewusst. Dann hab ich doch keinen Verfolgungswahn.“ Seufzte ich. Ich ungemein beruhigt über diese eigentlich ziemlich unwichtige Erkenntnis, denn es bewies, dass ich mit der Zeit doch nicht total verrückt geworden war.
    „Ja, Dave hat darauf bestanden. Wir haben euch vom Fenster eines Hauses aus beobachtet, eigentlich total hirnrissig, wenn man sich überlegt, dass wir im Zweifelsfall auch nicht…“ Basti unterbrach sich und drückte mit einem Finger sein Headset weiter ins Ohr und von jetzt auf gleich wurde seine Miene todernst.
    „Verstanden Webmaster.“ Antwortete er abgehakt und drehte sich hektisch um.
    „Was ist los?“ fragte AnnaSophia. Ich brauchte nicht zu Fragen, um zu erahnen, was los war. Ich hatte das Gefühl, dass sich etwa drei dutzend Schläger auf dem Weg zu uns befanden. Und mit ihnen etwa ein Dutzend Maschinenpistolen.
    „Witty und Patrick haben Webmaster gerade angefunkt. In der Messe ist eine ganze Armee von den Typen unterwegs.“ Murmelte Basti und stupste dabei den toten Schläger mit einem Fuß an.
    „Was sollen wir jetzt…“
    Bevor AnnaSophia ausgesprochen hatte, halten hinter uns Rufe durch die Halle. Wir fuhren herum und entdeckte eine Hand voll Schläger, die sich grob durch die Menge boxte.
    „Ach du Scheiße! Nichts wie weg hier!“ fluchte ich und schob Basti und AnnaSophia an, die sonst noch eine ganze Weile die anstürmende Schlägermeute angestarrt hätten.
    Ich rannte durch die Menge der Messebesucher und das erste Mal war ich über den dichten Verkehr froh. Da wir zu dritt waren, konnten wir und leicht zwischen den einzelnen Hindernissen hindurchschlängeln. Unsere Verfolger waren als großer Haufen unterwegs und waren dadurch sich selbst im Weg. Gefolgt von AnnaSophia und Basti erreichte ich eine Kreuzung. Ich rannte nach links um die Kurve, schlitterte ein Stück nach rechts weiter und rempelte einen Jungen Mann um, der mit einem Überraschten Aufschrei über eine Auslage purzelte. Ich kam aus dem Seitendrift wieder raus und rannte gerade aus weiter. Auf einmal waren die Gänge zwischen den Ausstellungsständen wie leer gefegt. Keine Besucher mehr, weit und breit. Direkt hinter mir hörte ich AnnaSophias schnellen Atem, dann kamen Bastis Schrittgeräusche und viel weiter hinten hörte ich die Meute mordlustiger Schläger mit MPs.
    Der Abstand zwischen uns und unseren Verfolgern war inzwischen so groß, dass ich hoffte, sie würden ihre MPs wegen der starken Streuung nicht einsetzten. Kaum hatte ich diesen Gedanken im Kopf, knatterten auch die ersten Schüsse. Ich dachte einen Fluch, für den mich AnnaSophia geohrfeigt hätte und hechtete nach rechts hinter eine Ausstellungsvitrine, die auf einem hölzernen Podest stand, AnnaSophia und Basti landeten neben mir auf dem Boden, dann zersplitterten die Geschosse das Vitrinenglas und Glasscherben prasselten auf uns herab.
    In meinem Nacken verbreitete sich ein brennender Schmerz, wahrscheinlich ein tiefer Schnitt durch eine Scherbe.
    „Basti, unternimm was.“ Forderte ich und blickte ihn an. Sein Gesicht war etwas bleich und seine Augen starrten sein Bein an, aus dem Blut floss.
    „Scheiße. Basti, gib mir deine Kanone und ruf Hilfe. AnnaSophia, du musst ihm irgendwie das Bein Abbinden, sonst verblutet er.“
    (Fortsetzung folgt 8) )

  • „Was hast du vor?“ fragte AnnaSophia besorgt, als ich mir Bastis Waffe schnappte.
    „Keine Angst. Ich halte die Kerle nur auf Abstand.“ Versprach ich, dann lehnte ich mich mit dem Rücken an die Seite des Holzpodestes, schloss die Augen und atmete tief durch. Der kühle Griff der Glock schmiegte sich in den Griff meiner Hand und gab mir ein Gefühl der Vertrautheit. Ich öffnete die Augen wieder und spähte vorsichtig um die Ecke. Es waren sechs bewaffnete Schläger, die mitten im Gang standen, absolut ungedeckt. Ich atmete noch einmal ein, dann feuerte ich. Die erste Kugel streifte ihr Ziel am Arm und brachte den massigen Körper ins Wanken, die zweite Kugel traf ihn in die Brust. Der Mann ließ mit einem überraschten Aufschrei seine Waffe fallen, stolperte nach hinten und brach zusammen.
    Meine zwei Schüsse wurden von etlichen Projektilen aus fünf Maschinenpistolen beantwortet, ich zog mich zurück und die Geschosse bohrten sich in das Holzpodest. Eine Kugel durchschlug nur knapp neben meinem Oberkörper die Holzplatte und blieb in einem anderen Holzgestell stecken.
    „Verdammt, lange hält das Teil nicht mehr aus!“ fluchte ich, als noch mehr Kugeln das Holz durchschlugen und anschließend als Querschläger quer durch den Raum flogen.
    „Basti, kannst du Webmaster erreichen? Wir brauchen Hilfe.“
    „Das tut so weh.“ Murmelte Basti, der immer noch sein Bein anstarrte.
    „Jetzt hab dich nicht so, das ist nur eine Fleisch…“ begann ich und wollte nach dem Headset greifen, aber AnnaSophia hielt meine Hand zurück.
    „Was ist denn? Wir brauchen Hilfe!“
    „E35, er blutet.“
    „Am Bein, ich weiß.“
    „Nein, hier auch.“
    AnnaSophia schob sanft Bastis Arm weg, der bis jetzt seine Seite verdeckt hatte und nun den Blick auf eine durchschossene Schutzweste frei gab. Blut hatte den Stoff der Weste und der Jacke getränkt und glänzte dunkel.
    „Ach du heilige… AnnaSophia, dann musst du Webmaster anfunken. Und guck nach, ob die Wunde tief ist.“
    „Ich bekomm keine Luft.“ Murmelte Basti und sein Gesicht wurde leichenblass.
    „Bleib wach, Basti! Gleich ist Hilfe da. Du musst nur noch kurz durchhalten, dass kommen die Sanitäter.“ Redete AnnaSophia auf den Verletzten ein, und während sie die Wunde untersuchte, lugte ich wieder hinter unserer Deckung hervor. Ein lange vergessenes Gefühl stieg in mir auf. Es hätte ein gemütlicher Sonntagsausflug werden sollen. Ein gemütlicher friedlicher Ausflug auf einer Messe mit allem möglichen Schnickschnack. Und diese Säcke machten alles kaputt. Bevor ich wusste, was ich tat, sprang ich auf und feuerte auf einen Typ, der gerade unvorsichtig hinter seiner Deckung hervorgeguckt hatte und die Kugel ging ins Schwarze. Blut spritzte, ein erstickter Aufschrei, dann verschwand er hinter dem Holzkasten.
    Die anderen Schläger erwiderten das Feuer, ich machte einen Hechtsprung über den Holzkasten, hinter dem sich AnnaSophia und Basti versteckten, landete auf dem Fliesenboden und rutschte zu einem Schläger hinter die Deckung. Die anderen stellten gezwungener maßen das Feuer ein, um nicht ihren Kollegen aus Versehen zu erschießen. Ich rammte dem Typen den Fuß in die Kniekehle, sein Bein gab nach und er kippte um. Bevor er reagieren konnte, verpasste ich ihm mit meiner Roboterhand einen Kinnhacken, der ihn ausknockte.
    (Fortsteung folgt 8) )

  • Der Lärm der verbliebenen vier MPs war so laut, dass ich Zahnschmerzen bekam und in meinen Ohren begann ein unwahrscheinlich hoher und unglaublich penetranter Ton zu pfeifen. Ein Geschoss knallte durch die Holzwand, hinter der ich mich versteckte, und riss einen großen Holzsplitter mit aus dem Brett. Ich schnappte mir die MP des bewusstlosen Schlägers und prüfte das Magazin.
    „Halb voll.“ Murmelte ich. Es war eine MP5, von den 30 Schuss waren etwa noch 15 übrig.
    „Warum bekomme ich immer die halb vollen Kanonen?“ schimpfte ich und schaltete auf Einzelschuss um.
    Eins war mir klar: wenn nicht bald Hilfe kam, saßen wir bald ziemlich in der Klemme. Ohne Schutzweste musste ich verdammt aufpassen, dass mich nichts erwischte. Und selbst wenn ich eine angehabt hätte, Bastis durchschossene Weste war wohl Beweis genug, dass es sich bei der Verwendeten Munition um panzerbrechendes Kaliber handelte. Bei dem Aufschlagwinkel wäre jedes normale Kaliber abgerutscht und hätte maximal eine Prellung hinterlassen. Ich lugte um die Ecke, gleichzeitig zerlegte ein Kugelschauer die andere Seite meiner Deckung in Sperrholz. Splitter flogen durch die Luft und etwas stach mich in die Schulter. Eine Kugel pfiff an meinem Ohr vorbei, ich zog meinen Kopf hastig wieder hinter meine Deckung und weitere Kugeln schlugen dort in das Holz ein, wo bis gerade eben noch mein Kopf gewesen war. Ich atmete tief durch. Früher wäre ich einfach aufgesprungen und hätte einen nach dem anderen Abgeknallt, aber irgendetwas hinderte mich daran. Mein Herz raste und mein Atem war flach und ungleichmäßig. Es war ein Gefühl, das zum ersten Mal in meiner Karriere bei der ASRSG spürte, ein erdrückendes, lähmendes Gefühl. Es verhinderte, dass ich mich bewegen konnte und blockierte meine Gedanken. Es war Angst. Richtig Angst. Ich hatte Angst um AnnaSophia, um Basti und um mich. Ich hatte Angst davor, was passieren würde, wenn wir nicht rechtzeitig Unterstützung bekamen, was geschehen würde, wenn diese Schießwütigen Schweine auf der anderen Seite des Holzkastens meine Deckung endgültig zerschossen hatten. Das Pfeifen in meinen Ohren war inzwischen so laut, dass ich nichts anderes mehr hörte. Nur noch dieses unaushaltbare, schrille Pfeifen. Was würde passieren, wenn sie mich erschossen? Dann würden zweifellos als nächstes AnnaSophia und Basti dran sein, wenn Basti überhaupt noch lebte. Mit dem Gedanken, AnnaSophia könnte etwas zustoßen, änderte sich schlagartig das Gefühl, das mich bis jetzt handlungsunfähig gemacht hatte. Mein Atem wurde mit einem Mal gleichmäßig und tief, meine Hirnblockade verschwand, die Lähmung löste sich auf. An die Stelle de Angst trat nun ein Gefühl, dass ich besser kannte als alle anderen. Zorn und Wut kam in mir auf, mit einem Mal schoss Energie und absolute Entschlossenheit in meinen Körper, Zerstörungswut, das Verlangen, meine Gegner fachgerecht in kleinste Teile zu zerlegen.
    (Fortstezung folgt 8) )

  • Ich sprang auf, riss die Waffe hoch und feuerte. Kugeln sausten an mir Vorbei und durchlöcherten alles, was hinter mir war. Mein erster Schuss traf einen Schläger in den Unterleib, der nächste Schuss streifte einen Schützen am Hals, flog weiter und zertrümmerte dem Schläger dahinter die Stirn. Eine Kugel traf meine Schulter, ich taumelte, kippte zur Seite und landete hart mitten auf dem Gang. Ein stechender Schmerz durchfuhr meine rechte Schulter, die MP rutschte aus meiner Hand, schlitterte über den gefliesten Boden und verschwand zwischen einigen Kisten. Eine Kugel donnerte neben meinem Kopf in die Fliese und sprengte Splitter aus dem Boden. Ich krabbelte nach hinten. In meiner Schulter hämmerte ein Stechender Schmerz, der bis in den Brustkorb strahlte und mir den Atem raubte. Einer der beiden verbliebenen Schützen machte einen Schritt vorwärts und richtete theatralisch die MP auf mich. Der Mund verzog sich zu einem gehässigen Grinsen und obwohl die Augen von einer Sonnenbrille verdeckt wurden, spürte ich den mordlustigen Blick. Mein Atem stockte, der Finger um den Abzug spannte sich an. Ein Schuss knallte und ich zuckte unwillkürlich zusammen. Der Schütze taumelte und jagte eine Kugel unterhalb meiner Füße in den Boden, dann fiel er auf die Knie und kippte zur Seite um. Der zweite Schütze antwortete dem Feuer, jemand fluchte, dann sackte auch er getroffen zusammen.
    (Fortsetzung folgt 8) )

  • „Guter Schuss!“ lobte hinter mir jemand, dessen Stimme ich nicht kannte.
    „Danke. Das war die Rache für die Kugel, die mir der Kerl in die Weste gejagt hat.“ Antwortete Daves Stimme.
    „E35, alles klar bei dir?“ fragte Patrick und half mir auf die Beine.
    „Geht so. Ich glaube, ich habe eine Kugel in der Schulter.“ Stöhnte ich und betastete die Stelle, die am meisten schmerzte. Von vorne nach hinten zog sich ein brennender Streifen durch die Schulter, der erst auf der anderen Seite aufhörte.
    „Du hast verdammt Glück gehabt.“ bemerkte Patrick, der abwechselnd meine Vorder- und Rückseite betrachtete. Auf seinem Rücken trug er einen großen Erste-Hilfe-Rucksack.
    „Das war ein glatter Durchschuss. Die Kugel ist auf der einen Seite rein und auf der anderen Seite wieder raus, ohne irgendwelche Knochen zu treffen. Jedenfalls, wenn dein Schulterbau der Menschlichen Anatomie entspricht.“
    „Schön. Aber jetzt kümmerst du dich erst mal um Basti. Ihn hatz definitiv schlimmer erwischt als mich.“ Drängte ich.
    Hinter dem total zerschossenen Podest, auf dem ursprünglich die Glasvitrine gestanden war, kniete AnnaSophia neben Basti und redete immer noch mit ernster Miene auf ihn ein, wach zu bleiben. Als sie mich sah, hellte sich ihr Gesicht ein wenig auf. Sie stand auf, um Patrick platz zu machen und lief zu mir.
    „E35, bist du in Ordnung?“ rief sie und bevor ich mich wappnen konnte, umarmte sie mich. Ein stechender Schmerz durchfuhr meine Schulter und ich konnte mir ein stöhnen nicht verkneifen.
    „Was ist? Bist du verletzt? Du blutest!“ stellte AnnaSophia erschreckt fest und wollte die Wunde betasten, aber ich heilt sie zurück.
    „Das ist nur ein Durchschuss, meine Liebe. Mir geht es gut.“ Beruhigte ich AnnaSophia, die besorgt die Ein- und Austrittsstellen der Wunde betrachtete.
    „Wenn du meinst. Aber bevor du kollabierst sagst du bescheid!“
    „Mach ich.“ Versprach ich und setzte mich auf den Holzkasten.
    „AnnaSophia, ich brauche deine Hilfe!“ rief Patrick, dessen Ruf von Bastis gequältem stöhnen begleitet wurde.
    „Basti zappelt zu viel. So kann ich unmöglich die Kugel da rausholen!“ schimpfte Patrick, der sich auf Bastis Beine gesetzt hatte.
    „Was soll ich machen?“
    „Halt seine Arme fest. Über dem Kopf. Himmel noch mal, Basti halt ruhig!“
    „Hast du ihm schon Schmerzmittel gegeben?“
    „Ja, aber das wirkt noch nicht und wir können nicht mehr warten. Wenn wir die Kugel da nicht bald raus haben, kann er eine Blutvergiftung bekommen.“
    „Ahhhhhhhh!“
    „Basti, du sturer…“
    Schüsse knallten durch die Halle und ließen mich zusammenzucken. Sofort meldete sich meine verletzte Schulter mit einem Schwall von Schmerzen, dass ich nach Luft schnappte und mich beherrschen musste, nicht laut aufzuschreien.
    „Dave! Tera hat mich gerade angefunkt. Mindful, E36 und er haben am Osteingang dieser Halle eine Gruppe bewaffneter Schläger aufgegabelt und in eine Schießerei verwickelt.“ teilte der Dritte der Truppe mit.
    „Danke Timm. Wird Zeit, dass wir von hier verschwinden.“
    Ich nickte zustimmend. Ich kam mir vor, wie im Krieg in einem Lazarett. Basti gab so gequälte Laute von sich und das Knattern unzähliger Maschinenpistolen, die nur wenige hundert Meter entfernt waren, stellten die besten Kriegsfilme in den Schatten.
    (Fortstezung folgt 8) )

  • „E35, wir haben deine Ausrüstung mitgebracht.“ Wandte Dave sich an mich und drückte mir Glock, Holster, Schutzweste, Headset und einen Beutel mit länglichem Inhalt in die Hand.“
    „Danke dir.“
    Ich legte Schutzweste und Holster an, wobei ich peinlich genau darauf achtete, meine rechte Schulter so wenig wie möglich zu bewegen, dann prüfte ich das Magazin der Glock und steckte sie anschließend in den Holster. Als letztes nahm ich Dave den länglichen Beutel ab.
    „Was ist da drinnen?“
    „Ich dachte, du würdest gerne wieder mit dem gewohnten Equipment rumlaufen.“ Grinste Dave und öffnete den Beutel. Zum Vorschein kam eine zur Faust geballte Hand in einem schwarzen Lederhandschuh, der zwischen den Knöcheln dünne Schlitze hatte. Das Leder am Unterarm war von vielen Kratzern gekennzeichnet und an einigen Stellen war es gräulich verfärbt.
    „Danke Dave, aber ich habe nicht vor, diesen Arm noch einmal zu benutzen.“ Antwortete ich und steckte den Roboterarm zurück in den Stoffbeutel.
    „Es ist deine Entscheidung. Wenn du ihn nicht wi…“
    Ein Schuss übertönte Dave und ich spürte in meiner Roboterhand ein ungewohnt starkes Pieksen, dann spürte ich in dem Arm nichts mehr.
    „Welcher Arsch…“ begann ich, fuhr herum und sah gerade noch, wie Timm, der den Gang gesichert hatte, den Schläger niederstreckte, den ich vorher k.o. geschlagen hatte.
    „Alles ok bei euch?“ fragte Timm, nahm die Waffe vom Boden und warf sie Dave zu.
    „Der Kerl hat meine Hand geschrottet!“ fluchte ich und betrachtete die Roboterhand, in deren Rücken das Projektil der MP mit unzähligen Drähten und Kabeln verschmolzen war.
    „Dave, ich habs mir anders überlegt. Ich nehme doch wieder mein altes Equipment.“
    Dave grinste zufrieden und drückte mir abermals den Stoffbeutel in die Hand, in dem sich der Roboterarm verbarg. Ich löste den Klemmverschluss meines des kaputten neuen Arms, der mit einem dumpfen klappern auf den Boden fiel, nahm den „neuen“ alten Roboterarm und klemmte ihn an. Ein angenehmes Gefühl kam in mir auf. Das Gefühl, dass ich früher bei jedem Einsatz gespürt hatte. In meinem Headset knisterte es, dann meldete sich Webmaster.
    „Achtung an alle! Unsere Luftunterstützung hat zwei weitere Schlägergruppen gemeldet, die gerade in der das Gelände betreten haben.“
    „Dave, wo auch immer ihr euch befindet, bringt AnnaSophia so schnell wie möglich aus diesem Gebiet. Wir sind diesem Gegner nicht gewachsen.“ Setzte BullTech den Funkspruch fort.
    „Basti ist verletzt, wir kommen hier nicht weg, bevor Patrick die Kugel entfernt hat. Ich fürchte, wir brauchen Unterstützung.“ Antwortete Dave.
    „Wir befinden uns momentan in Halle 3 und können bald bei euch sein.“ Meldete sich Kingwitty zu Wort.
    „Genehmigt. Asrloverock, Kingwitty und Anastasia, bewegt euch in Halle 4.“
    „Wie können wir euch finden?“
    „Folgt der Verwüstung.“ Schlug Timm vor.
    „Alles klar. Wir sind auf dem Weg zu euch.“
    „Leute, beeilt euch, dass ihr da raus kommt! Wir stehen vor Halle 4 massiv unter Beschuss!“ meldete sich Mindful.
    „Das sind bestimmt 30 Mann! Wenn die mit uns fertig sind, bekommt ihr ganz schön große Probleme!“ fügte Tera hinzu.
    „Au Scheiße.“ Flüsterte Timm, der sich offensichtlich auf seinem ersten Einsatz befand. Er hatte sich ein bisschen abgeschieden vom Rest der Truppe in eine Nische gekniet und beobachtete aufmerksam den Gang und die Kreuzung.
    „Du heißt Timm, richtig?“ fragte ich ihn, nachdem ich zu ihm gegangen war.
    „Ja, ich bin ein Mitglied im Forum. Und du bist E35?“
    „Genau. Ist das dein erster Einsatz?“
    „Mein erster Richtiger Einsatz. Letztes Jahr war ich dabei, als ihr dieses Möbelhaus gestürmt habt, aber ich hab da nicht wirklich mitgemischt.“
    „Macht nichts.“
    Ich ließ meinen Blick über den verwüsteten Gang schweifen. Die toten Schützen lagen mitten ihm Weg und boten einen grausigen Anblick. Auf den Fließen lagen überall Patronenhülsen herum und auch das eine oder andere Projektil lag auf dem Boden, das sich als Querschläger verflogen hatte.
    (Fortstezung folgt 8) )

  • „Meinst du, wir kommen hier heil raus?“ fragte Timm nach einer Weile.
    „Also ich bestimmt nicht mehr. Aber sonst spricht eigentlich nichts dagegen.“
    „Auch nicht diese Schlägerbanden?“
    Ich zögerte einen Augenblick, bevor ich antwortete.
    „Es kommt aufs Timing an. Wenn alle einzelnen Grüppchen perfekt aufeinander abgestimmt agieren, so wie das Zahnradwerk in einer Uhr, dann gibt es keine Probleme. Allerdings hat auch das hochwertigste Zahnradwerk kleine Unfeinheiten. Die können noch so klein sein, sie werden dazu führen, dass die Uhr nicht hundertprozentig rund läuft.“
    „Und Bastis zustand ist dann so eine kleine Unfeinheit?“ fragte Timm skeptisch und blickte in die Richtung des Verletzten.
    „Nein.“
    Mehr viel mir dazu nicht ein. Ich hatte das Uhrwerk als Modell zur Erklärung gewählt, da es mir am anschaulichsten ausgesehen hatte. Dass bei Modellen immer Geltungsbereich oder Anschaulichkeit für das jeweilig andere hinhalten musste, war eine Tatsache, die nicht nur Quantenphysikern gewaltig auf den Geist ging. Ich verzichtete darauf weitere Ausmodellierung des Beispiels.
    „Leute, wie weit seid ihr?“ fragte Dave irgendwo hinter mir.
    „Ich habe die Kugeln entfernt, aber Basti kann in diesem Zustand unmöglich laufen beziehungsweise getragen werden.“ Entgegnete Patrick sachlich und ich hörte schnalzende Gummihandschuhe, die ausgezogen wurden.
    „Wo bleiben die?“ fragte AnnaSophia ungeduldig.
    „Keine Ahnung. Vielleicht sind sie in ein Gefecht verstrickt worden.“ Überlegte Dave.
    „Die Schüsse die ich höre, kommen aber nur von Osten, also von Teras Front.“ Antwortete Patrick.
    Aus dem Augenwinkel sah ich eine schnelle Bewegung, ein Revolver wurde hochgerissen und auf mich gerichtet. Reflexartig sprang ich auf die Bewegung zu, rammte dem Schützen den Ellebogen in den Bauch, riss den Arm runter und entwaffnete ihn. Als Antwort kam ein Schlag auf meine rechte Schulter, Schmerz wallte auf und raubte mir den Atem. Ich taumelte benommen zurück, mein Gegenüber holte aus, um nachzusetzen, aber bevor er den nächsten Schlag ausführen konnte, griff Timm ein. Ein dumpfer Schlag, als durch den Kinnhacken Zähne auf Zähne donnerten, dann kippte der Mann um.
    „Hast du das mit dem Timing gemeint?“ fragte Timm und schüttelte die Hand, mit der er gerade den Kinnhacken verteilt hatte.
    „Wow. Du hast es voll durchblickt.“ Gab ich zu und verdrängte das dumpfe Hämmern in meiner Schulter.
    „Webmaster, hier Anastasia! Mindful ist verletzt und uns geht langsam die Munition aus. Tera und ich halten nicht mehr lange durch.“ Gab E36 einen verzweifelten Funkspruch ab.
    „Kingwitty, Asrloverock und Anastasia, geht zum Östlichen Eingang von Halle 4 und greift Tera und E36 unter die Arme!“ forderte ich.
    „E35! Was soll das?“ fragte Dave entgeistert und packte mich an beiden Schultern. Wieder durchfuhr mich dieser dumpfe Schmerz.
    „Ich rette AnnaSophia.“
    „Indem du vorsätzlich Unterstützung an die Front schickst?“
    „So bekommen wir wenigstens einen Vorsprung! Patrick bleibt mit Basti hier, du und Timm, ihr kommt mit AnnaSophia und mir. Wir versuchen über Halle 3 rauszukommen und steigen dann bei Domi und Mufuß in den Helikopter.“
    Dave schnaubte und wechselte mit Patrick einige Blicke, dann nickte er widerstrebend.
    „E35, was hast du vor?“ fragte BullTech ungehalten über Funk. Ihm missfiel mein Eingreifen offensichtlich, aber das war mir zu diesem Zeitpunkt ziemlich möglichst großen Vorsprung bekommen. Wir melden uns dann wieder.“
    „Ich hoffe du weißt, was du tust.“ Murmelte AnnaSophia, die sich neben mich gestellt hatte.
    „Das hoffe ich auch.“
    Ich nahm einer der MPs und hängte sie mir über die linke Schulter, dann winkte ich Dave und Timm zu.
    „Pass auf euch auf, Patrick!“ rief Dave nach hinten zu der Holzkiste, hinter der sich Patrick und Basti versteckt hatten, dann folgte er uns.
    (Fortstezung folgt 8) )

  • Wir rannten geduckt durch die Gänge von Ständen, außer uns war keine Menschenseele mehr zu sehen. Die Besucher der Messe waren wie vom Erdboden verschluckt. Weit hinter uns, am Osteingang, knatterte das Feuergefecht zwischen der ASRSG und den Schlägern. Den Berichten zu folge hatte sich die Situation in einem tödlichen Stellungskampf festgefahren.
    Es tat mir weh, die anderen alle im Stich zu lassen, aber es musste sein. Wir liefen weg von dem Krawall, von dem Knattern und Knallen, von dem Lärm splitternder Gegenstände und zerbrechender Ausstellungsvitrinen, Richtung Halle 3. Ich hielt mich auf AnnaSophias rechter Seite, Dave deckte sie auf ihrer linken Seite und Timm ging voran.
    Wir erreichten den Gang, der Halle 4 und Halle 3 mit einander verband. Die Betonwände waren weiß angemalt und durch große Fenster viel das Licht der Sommersonne auf den gefliesten Boden. Wir hatten gerade den Gang betreten, als auf der anderen Seite ebenfalls eine Gruppe bewaffneter Schläger den Gang betraten.
    „Ach du Scheiße!“ Entfuhr es Dave, der AnnaSophia am Arm packte und eilig Rückwärts aus dem Gang zog. Schüsse knallten, die durch den engen Gang tausendmal von den Betonwänden reflektiert und verstärkt wurden, ich stolperte rückwärts, etwas donnerte in der Magengegend in meine Schutzweste und riss mich von den Füßen. Ich kippte nach hinten rechts und landete außerhalb des Gangs und damit aus der Reichweite der Schützen. Atemnot überkam mich und schnappte nach Luft, dann hörte ich Dave, der einen lauten Fluch ausstieß und etwas in den Gang rief. Als ich wieder einigermaßen Atmen konnte, rappelte ich mich umständlich auf und lugte in den Gang, um zu sehen, wieso Dave geschrien hatte. In der Mitte des Gangs kniete Timm, die Glock mit ausgestreckten Armen vor sich haltend, und feuerte auf unsere Gegner. Drei hatte er schon getroffen, die verbliebenen drei Schützen tauchten ihn in einen tödlichen Kugelhagel, aber wie durch ein Wunder trafen ihn die Geschosse nur in die Schutzweste. Ein zucken durchfuhr Timms Oberkörper, seine Arme sanken und er kippte bewegungslos au die Seite. Dave ließ einen Flucht los, dass AnnaSophia die Augen aufriss, sprang hinter der Ecke hervor und hechtete zu Timm, der bewusstlos im Gang lag. Ich sprang ebenfalls in den Gang und feuerte gezielte Schüsse ab. Zwei Schüsse streiften einen Schützen und brachten ihn zu Fall, die anderen Beiden sprangen eilig aus meiner Schussbahn und gaben Dave so Gelegenheit, Timm aus der Gefahrenzone zu ziehen. Kaum waren die beiden aus dem gang verschwunden, eröffneten unsere Widersacher wieder das Feuer.
    (Fortstezung folgt 8) )

  • „Ist die Kugel durchgegangen?“ brüllte ich Dave über den Lärm der knatternden MPs zu, der gerade die Schutzweste prüfte.
    „Er hat Glück gehabt, die verwenden anscheinend keine panzerbrechende Muni.“ Antwortete Dave erleichtert und hielt das zusammengedrückte Projektil hoch, dass er aus der Schutzweste gefummelt hatte.
    Ich atmete erleichtert auf und lugte vorsichtig um die Ecke. Unsere Widersacher hatten sich inzwischen links und rechts des Gangs positioniert und hielten ihre MPs gerade soweit in den Gang, dass sie uns in ein tödliches Kreuzfeuer bringen konnten.
    „E35, ihr müsst euch beeilen!“ drängte Anastasia.
    „Wir halten nicht mehr lange durch. Das werden immer mehr.“ Fluchte jemand im Hintergrund.
    „Wie lange noch?“ fragte Dave besorgt.
    „Maximal noch zehn Minuten.“
    Zehn Minuten. Das war nicht viel. Ich blickte mich suchend um. In der nähe des Ganges hatte der Hersteller von Plasmaschneidern und Schweißgeräten seinen Ausstellungsstand aufgebaut.
    Ich weiß nicht, was in den Köpfen der Typen am anderen Ende des Ganges abging, als plötzlich ein klappriger Wagen mit Gasflaschen durch den Gang und auf sie zu schoss, aber das konnte angesichts der Hirnkapazitäten auch nicht so weltbewegend sein, dass es mich interessiert hätte. Jedenfalls verdeckte der Wagen, während er mit den Gasflaschen durch den Gang rollte, die Sicht auf Dave, der sich in die Gangmitte gekniet und die Glock mit beiden gepackt auf eine der Gasflaschen gerichtet hatte. Gerade, als der Wagen aus dem Gang rollte, drückte Dave ab und brachte sich dann mit einem seitlichen Hechtsprung aus der Gefahrenzone. Die Kugel durchdrang die stählerne Wand der Gasflasche und gab ihrem explosiven Inhalt genug Energie, um sich exorbitant schnell und unter großer Hitzeentwicklung im dreidimensionalen Raum auszubreiten. Kurz gesagt: Getroffene Gasflasche und die Gasflasche darunter wurden samt Wägelchen von einer Explosion zerrissen.
    „Diese Aktion wurde gesponsored von Volksbanken/Reifeisenbanken: Wir machen den Weg frei!“ zitierte ich die Fernsehwerbung und nickte zufrieden.
    „ Wie viel zeit haben wir noch?“ fragte ich Dave, während ich den Gang betrat.
    „Maximal noch sieben Minuten.“ Antwortete Dave, der zusammen mit AnnaSophia Timm unter auf die Beine gehoben hatte und trug.
    (Fortstezung folgt 8) )

  • Tera drückte sich mit dem Rücken an den umgekippten Tisch, der ihm, E36 und dem verwundeten Mindful als Deckung diente. Auf dem Boden lagen haufenweise Patronenhülsen und einige leere Magazine. E36 gab die letzten Schüsse seiner Waffe ab, dann duckte er sich hastig hinter die Tisch platte.
    „Mindful, alles klar bei dir?“ fragte E36 und warf das leere Magazin auf den Boden.
    „Geht so. Das fühlt sich an, als hätte mir jemand ein Messer in die Brust gerammt.“ Keuchte Mindful.
    „Keine Angst, Mann! Die Kugel ist nicht durch. Das gibt nur einen riesigen blauen Fleck.“ Versuchte Tera ihn zu beruhigen.
    „Und mindestens drei gebrochene Rippen.“
    Tera wischte sich den Schweiß von der Stirn, in der Luft hing eine dünne Rauschschwade, die durch unzählige Schüsse entstanden war.
    „Wenn das so weiter geht, ist von unserem Tisch bald nicht mehr viel übrig.“ Murmelte E36 und lud seine Waffe mit dem neuen Magazin durch. Er Mindful und Tera hatten in Halle fünf vor dem Verbindungsgang zu Halle 4 mit Tischen, Kästen und allem möglichen anderen Zeugs eine solide Barrikade aufgebaut. Anfangs hatten sie nur wenige Gegner gehabt, aber inzwischen hatten sich auf der anderen Seite der Barrikade bestimmt 30 Schützen verschanzt.
    Die Situation hatte sich in einen Stellungskampf festgefahren. Metall knallte und Beton splitterte, als eine Kugel von einem Stuhlbein seitlich abprallte und über dem Gangeingang in die Hallenwand einschlug.
    „Tera, die versuchen die linke Flanke einzunehmen!“ brüllte Kingwitty und verpasste einem Schützen, der versucht hatte, weiter nach vorne zu gelangen, einen Kopfschuss.
    „Friss du widerliches Ekel!“
    „E36, geh nach links und hilf den anderen die Seite zu verteidigen!“ brüllte Tera und gab mehrere blinde Schüsse ab. Unerwartet schrie jemand schmerzerfüllt auf.
    „Alles klar!“ antwortete E36 und robbte hinter Tera nach links zu Asrloverock, Kingwitty und Anastasia.
    „Mindful, kannst du wieder mitmachen?“ fragte Tera hoffnungsvoll.
    „Ich glaube schon.“
    Mindful drehte sich schwerfällig auf den Bauch, nahm seine Waffe und robbte zur Barrikade.
    „Webmaster, wo bleibt BullTech?“ fragte Asrloverock gereizt über Funk.
    „BullTech ist auf dem Weg, Leute, ihr müsst durchhalten!“
    „Scheiße Mann, komm erstmal runter zu uns in diese bleiverseuchte Luft! Wenn du dann immer noch so redest, bekommst du von mir den Friedensnobelpreis!“ fluchte Mindful und gab einen gezielten Schuss auf einen übermütigen MP-Schützen ab.
    Der Mann taumelte zur Seite, rutschte auf Patronenhülsen aus und plumpste wie ein nasser Sack auf den Boden.
    Asrloverock sprang auf und feuerte mehrere Schuss, dann ließ er sich fallen und entging nur knapp einer Hand voll Kugeln, die hinter ihm in die Betonwand einschlugen.
    „Anastasia, hast du noch Munition?“ fragte Kingwitty und warf das leere Magazin über die Barrikade in die gegnerische Linie.
    „Nicht mehr viele. 5 oder 6 Magazine.“ Antwortete sie und drückte ihm ein Magazin in die Hand.
    „BullTech, wo bleibst du?“ murmelte E36 und lugte über den Rand seiner Deckung.
    Ein Schuss knallte, allerdings nicht gewöhnlich, wie Schnellfeuerwaffen knallten. Dieser Schuss war nur ein kurzes Plop und übertönte trotzdem alle anderen Kampfgeräusche.
    „BullTech! Wozu hast du ein Laserzielfernrohr?“ fluchte Anastasia.
    „Sorry, Mensch! die bewegen sich dauernd!“ antwortete BullTech und lud das Scharfschützengewehr nach.
    (Fortsetzung folt 8) )

  • „Leute, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für euch.“ Meldete sich Mufuß aus dem Helikopter.
    „Die Gute: wir bekommen in kürze Polizeiunterstützung. Die schlechte Nachricht: E35, schaut, dass ihr über einen anderen Weg rauskommt! Unter uns steht ein Trupp Schläger und wartet auf unsere Landung. Ihr müsst euch einen anderen Weg nach außen suchen.“
    Im Hintergrund hörte ich Dominator, der einen bitteren Fluch losließ.
    „Ihr könnt uns hier doch nicht einfach verschmoren lassen!“ schimpfte Dave aufgebracht.
    „Sorry, Leute, aber wir können euch nicht mehr helfen. Ihr seid jetzt auf euch allein gestellt. Over.“
    „Das meint der jetzt nicht ernst, oder?“ fragte AnnaSophia ungläubig.
    „Doch, er meint es ernst.“ Antwortete Dave trocken und stellte sich neben mich.
    „Was machen wir jetzt?“
    „Blöde Frage, nächste Frage.“
    „Wir könnten uns verstecken.“ Schlug Timm vor, aber seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war ihm wohl selbst klar, dass das die letzte aller Möglichkeiten war, die in Frage kam.
    „Irgendwo muss es hier doch noch einen Notausgang geben.“ Murmelte ich und blickte mich um. Als ich keine Notausgangsschilder entdecken konnte, blickte ich zur Decke hoch.
    „Was suchst du?“ fragte AnnaSophia und folgte meinem Blick, der inzwischen an einem Lüftungsschacht, etwa zehn Meter über dem Boden, kleben geblieben war.
    „Alter, das ist nicht dein ernst!“ entfuhr es Timm, der ebenfalls zum Lüftungsschacht hochblickte.
    „Ach nein?“ fragte ich und rannte zielstrebig los.
    „E35, das ist Wahnsinn!“ schimpfte AnnaSophia und Dave und Timm nickten eifrig.
    „Wollt ihr hier lebend rauskommen?“ fragte ich nebenbei und suchte nach etwas, das man als Leiter benutzen konnte.
    „Ja, schon, aber auf der anderen Seite ist keine Leiter.“
    „Wir wollen nicht nach unten, sondern hoch.“ Widersprach ich und lief zu einem Ausstellungsstand.
    „Was meint der damit?“
    „Sehe ich aus wie ein Hellseher? AnnaSophia?“
    „Woher soll ich wissen, was E35 sich schon wieder ausgedacht hat?“
    Der Lärm der Schießerei in Halle 5 hatte aufgehört und nur ab und zu war ein dumpfes Schlagen zu hören, wahrscheinlich war die Auseinandersetzung in einen Nahkampf übergegangen. In diesem Fall würden wir auf jeden Fall mehr zeit haben, als wenn die Fronten sich weiter mit Kugeln bekämpft hätten, denn es war klar, dass die ASRSG-Mitglieder den Schlägern in Sachen Kampftechnik weit überlegen waren. Diese kleine Tatsache war für mich in diesem Moment so beruhigend, dass ich kurzzeitig beinahe vergessen hätte, wieso wir so in Eile waren.
    „Ich klettere da nicht hoch!“ weigerte sich AnnaSophia, als ich mit einer riesigen Aluleiter angelaufen kam.
    „Jetzt hab dich nicht so und krabble da hoch!“ drängte ich und stellte die Leiter auf, die faszinierender weiße genau bis unter den Lüftungsschacht reichte. Ich hatte sie zwar etwas kleiner in Erinnerung gehabt, als ich sie gefundne hatte, aber diese kleine Unstimmigkeit war mir jetzt gerade ziemlich egal.
    „Komm schon.“ Drängte nun auch Dave und schob AnnaSophia zur Leiter.
    „Nein, ich tu das nicht! Ich bin doch nicht lebensmüde!“ widersprach AnnaSophia und verschränkte die Arme vor der Brust, als würde sie durch den Kontakt mit der Leiter zustimmen, hochzuklettern.
    „AnnaSophia hat recht. Das ist zu gefährlich.“ Stimmte Timm zu und zog die Leiter weg.
    „Wir können jetzt da hochklettern und AnnaSophia hier raus bringen, oder wir können uns solange streiten, bis die Typen von außen reinkommen!“ schimpfte ich und stieß Timm von der Leiter weg. Timm landete der Länge nach auf dem Bauch und rutschte einige Meter weiter über den glatten Boden.
    „AnnaSophia, du kletterst da jetzt augenblicklich hoch!“
    „Kannst du nicht als Erster hoch gehen?“ fragte AnnaSophia.
    „Meinetwegen.“
    Ich hängte mir die MP über die Schulter und begann die Alustufen zu erklimmen.
    Ich war etwa die Hälfte der Leiter hochgeklettert, als die Tür, durch die wir eigentlich vorgehabt hatten, zu fliehen, aufflog und ein Schlägertrupp hereinstürmte.
    (Fortstezung folgt 8) )

  • Ich stieß einen Fluch aus, sprang mit meinen Füßen auf die Langen Alubalken, die die Sprossen der Leiter Verbanden und ließ mich runter rutschen.
    „Was zum…“ begann Timm, als ich vor ihm mit einem Höllentempo landete. Ein stechender Schmerz durchfuhr meine rechte Schulter, aber bei weitem nicht mehr so schlimm, wie vorher. Ich schluckte den Schmerz runter und taumelte kurz.
    „Ich dachte, wir müssten so dringend da die Leiter hochklettern!“ frotzelte Dave.
    „Zu spät. Wegen eurem dämlichen Herumgezicke!“
    „Warum zu spät?“ fragte AnnaSophia verwirrt und blickte sich um, im gleichen Moment erreichten die Männer, die ich von der Leiter aus gesehen hatte, den Gang, in dem wir standen. Als sie uns sahen, rannten sie laut brüllend los, um sich mit vollem Schwung auf uns zu stürzen.
    „Was jetzt?“ fragte ich, als hätte jemand von ihnen eine Idee.
    „Keine Ahnung. Mach irgendwas.“ Antwortete Dave, ohne den Blick von den anstürmenden Schlägern zu lösen
    „Ich weiß selbst, dass ich was machen muss. Sag mir nicht immer, dass ich was machen soll, sondern sag mir lieber, was ich machen soll.“
    „Das weiß doch ich nicht.“
    „Wie soll ich was machen sollen, wenn nicht mal du weiß, was ich machen soll, verdammt noch mal!“
    „Warum soll ich dir immer sagen müssen, was du machen sollst? Du solltest selber wissen, was du machen sollen müsstest!“
    „Warum soll ich das wissen?“
    „Sollst du nicht, du müsstest es wissen sollen!“
    „Ist das jetzt vorgeschrieben, das ich wissen muss, was du sagen sollst, damit du mir sagen können musst, was ich machen sollen müsste?“
    Inzwischen waren die Schläger so nah, dass nur noch eine Möglichkeit bleib. Timm, Dave und ich rissen die MPs hoch und feuerten auf die anstürmende Horde. Die ersten Schläger kippten getroffen um, dann erreichten uns die Schläger. Ich hatte noch genug Zeit, um die MP loszulassen, dann traf mich eine fleischige Faust vor den Brustkorb, riss mich von den Füßen und schleuderte mich nach hinten. Ich landete hart auf dem Boden und eine Farbexplosion verdeckte mein Gesichtsfeld, als mein Kopf auf den Boden aufschlug. Ich rutsche auf dem Rücken weiter und bleib unter der Aluleiter liegen.
    Meine verletzte Schulter brannte, als hätte jemand ein Salzfass in die Wunde gekippt und ich spürte warmes Blut, das aus dem aufgerissenen Grind floss. Während ich nach Luft rang, verpasste Dave dem Schläger, der mich so weggeschleudert hatte, eine gehörige Abreibung und beförderte ihn mit einen schwungvollen Kick in den Magen auf einen Kollegen, der unglücklicherweise direkt hinter ihm stand. Ein lautes Knacken jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken, als die beiden Brocken von Männern auf den Boden donnerten. Der untere Schläger bleib mit eigenartig verformtem Brustkorb liegen – wahrscheinlich wahren sämtliche Rippen gebrochen – aber der zweite Schläger, war noch munter genug, um sich wieder auf die Beine zu rappeln. Dave setze nach und landete das Knie in den edelsten Teilen des Schlägers. Diesmal knackte nichts, dafür ertönte ein schmerzerfülltes Jaulen, der Schläger presste die Knie zusammen, krümmte sich und sackte zusammen. Weiter hinten sah ich Timm, der seinen Gegner gerade mit einer Kunstvollen Bewegung durch die Luft und auf einen Auslagetisch beförderte, auf dem Spielzeugfigürchen lagen. Die Auslagekonstruktion gab unter dem Gewicht nach und der massige Körper landete mit unzähleigen Plastikmännchen auf dem Boden. Bevor Timm wieder seine Deckung hochnehmen konnte, traf ihn ein schwungvoller Tritt in den Bauch. Er kippte rückwärts um, griff im Fallen nach dem Bein seines Angreifers und zog heftig daran, sodass er sich wieder aufrichtete und an seiner Stelle der Schläger an ihm vorbei auf den Boden klatschte wie ein nasser Mehlsack. Ein lauter Mädchenschrei und ein Schmerzhaftes Stöhnen lenkten meine Aufmerksamkeit auf AnnaSophia, die ihrem Gegner beide Arme auf den Rücken gedreht und ihn auf den Boden gedrückt hatte. Links von Dave, er stand rechts von der Leiter, unter der ich lag, tauchte ein Schläger auf und holte zu einem Genick brechendem Schlag aus. Ich packte die Leiter und drückte sie von der Wand weg, der Schläger ließ einen Überraschten Schrei los, als die Alukonstruktion auf ihn zu kippte, dann steckte er zwischen zwei Sprossen fest, unfähig, sich zu bewegen. Der Schläger stolperte Rückwärts, stolperte und landete auf einem Bürostuhl.
    Ich rappelte mich auf, packte das Ende der Leiter und schubste es wie einen Propeller an, sodass der Mann, der von der Leiter gefangen war und auf dem Bürostuhl hockte, der Drehmittelpunkt war. Die Leiter drehte sich, Dave schrie erstickt auf und rettete sich mit einem Hechtsprung über die drehende Leiter vor einem Mitreißenden Magentreffer, sein Gegner erkannte die Gefahr zu spät und wurde mitgerissen. Timm und sein Gegner sprangen eilig aus der Drehbahn, dann erreichte ein ende der Leiter AnnaSophia, die ihren Gegner immer noch im Polizeigriff auf den Boden drückte. Sie duckte sich unter der Leiter durch, allerdings musste sie dafür den Griff lockern, sodass sich ihr Gegner befreien konnte. Bevor er ich aber auf den Rücken drehen konnte, schaltete AnnaSophia ihn mit einem Handkantenschlag in den Nacken aus.
    Nachdem die Leiter eine Umdrehung gemacht hatte, bremste ich das Karussell, sodass ein Leiterende auf meiner Linken Seite war, wo auf einmal auch ein Schläger aufgetaucht war.
    Ich blockte einen Faustschlag, indem ich die Leiter hochriss. Knochen knallten auf das Aluminium und knackten und der Impuls verpasste mir einen Stoß nach hinten. Ich stolperte rückwärts über den Schläger, den AnnaSophia gerade ausgeschaltet hatte, verlor das Gleichgewicht und kippte um. Die Leiter bleib waagrecht in der Luft hängen und während mein Gegner sich die Schmerzende Hand hielt, übermannte mich der Schmerz in meiner verletzten Schulter und ich rang panisch nach Luft.
    Mein Gegner ließ die Knöchel knacken, dann ging er mit einer Abwertenden Miene auf mich zu. Ich krabbelte nach hinten, unfähig, mich aufzurichten. Noch ein Schritt, noch einer, dann Stand mein Gegner bei der Leiter, die immer noch den Typen auf dem Bürostuhl fesselte.
    Er packte das Aluminium, um die Leiter wegzudrücken, gleichzeitig ertönte beim andere der Leiter ein überraschter Schrei und ein dumpfes „klonk“, dann schoss das Leiterende, unter dem ich lag und das unter dem Kinn meines Gegners lag, nach oben. Die Hand, mit der er die Leiter hatte wegdrehen wollen, donnerte gegen sein Kinn, er stieß einen lallendes „eallll“ aus und sein Kopf flog in den Nacken. Der Massige Körper taumelte kurz, dann kippte er vornüber direkt auf mich zu.
    Ich stieß ein ersticktes „Scheiße“ aus und rollte mich unter der Leiter raus, die mich sonst definitiv erdrückt hätte. Ich war kaum unter dem Alugestellt weggerollt, da flog auf der anderen Seite der Körper eines Schlägers durch die Luft und landete auf dem Dach eines Standes. Er war wohl gerade eben auf das andere Ende der Leite gekippt und hatte so meinen Gegner auf dieser Seite ausgeschaltet.
    „Alles in Ordnung bei dir?“ fragte AnnaSophia und half mir hoch. In ihrer Stimme schwang ein energischer Unterton mit und in ihren Augen blitzte wilde Entschlossenheit. Ich brauchte ein bisschen, bis ich mich gesammelt hatte.
    „Ich glaube schon.“ Schnaufte ich dann und presste die Hand auf meine blutende Schulter.
    AnnaSophia nickte und wir blickten uns um.
    Timm verpasste gerade dem letzten Schläger einen saftigen tritt vors Schienbein und rammte ihm anschließend den Elle bogen in den Magen. Fachgerechte Bearbeitung, wie ich fand.
    „Alles noch senkrecht bei euch?“ fragte Dave, der hinter einem Stand hervor kam. Sein linkes Auge war etwas geschwollen und leicht bläulich angelaufen, ansonsten schien bei ihm alles heil geblieben zu sein.
    „Wisst ihr, wo Timm geblieben ist?“ fragte Dave und ließ seinen Arm kreisen.
    „Ich bin hier.“ Meldete sich Timm von der anderen Seite der Leiter. Er hatte einige Prellungen abbekommen und aus seinem linken Nasenloch lief in dünnen Blutrinnsal.
    „Gut. Seid ihr noch einsatztauglich?“ fragte ich und atmete tief ein, als mich erneut ein stechender Schmerz durchfuhr.
    „Denke schon.“ Antwortete Dave und Timm nickte eifrig.
    „Wo gehen wir jetzt hin?“ fragte Timm und sammelte die herumliegenden MPs auf, die wir während des Kampfes hatten fallen lassen.
    „Wir nehmen den Helikopter und fliegen zur Zentrale.“ Bestimmte AnnaSophia, Dave zog überrascht eine Augenbraue hoch und sah mich verdutzt an. Ich zuckte mit der gesunden Schulter und antwortete ebenso verdutzt.
    „Worauf wartet ihr?“ fragte AnnaSophia, die während dieser kurzen Zeit bereits einige Meter zurück gelegt hatte.
    „Sag mal, was ist denn auf einmal mit AnnaSophia los?“ fragte Timm und sah ihr nach.
    „Keine Ahnung. So habe ich sie noch nie erlebt.“ antwortete ich und blickte ihr ebenfalls nach.
    (Fortsetzung folgt 8) )