Die Woche geht zu Ende

  • Wir erreichten einen Parkplatz und hielten an. Hier oben war die Sonne noch nicht ganz untergegangen und der Staub, den die Autos auf dem kiesbedeckten Boden aufwirbelten, färbte sich orange. Wir stiegen aus.
    "Hier oben wird also ihr neuer Film gedreht?", fragte Lordi, der uns aus dem Audi entgegen kam.
    "Deutet alles darauf hin.", sagte Kingwitty und deutete auf einen größeren Laster am einen Ende des Parkplatzes. "Damit haben sie bestimmt das Filmmaterial hier raufgeschafft."
    "Wie gehts Marcus?", erkundigte ich mich.
    "Besser.", drang eine Stimme hinter dem Auto hervor. "Danke der Nachfr..." Er brach ab, als er sah, dass ich nach ihm gefragt hatte. Stattdessen drehte er den Kopf zur Seite und stellte sich möglichst weit von mir entfernt auf.
    "Und jetzt?", fragte Kingwitty.
    "Wir sollten erstmal die Filmcrew suchen und bescheid geben, dass sie AnnaSophias Ankunft etwas verzögern könnte.", meinte Roflduhastlol. "Die Anderen können sich ja schonmal ein wenig umsehen."
    "Das wird nicht nötig sein!"
    Wir fuhren alle herum. AnnaSophias Entführer stand vor uns. Er trug wieder diesen blauen Umhang, den er damals in Denver die ganze Zeit anhatte.
    "Wo ist sie, du mieser...", fing Kingwitty an und stürzte auf ihn zu, doch Dave hielt ihn fest und sagte: "Bleib ruhig, Witty. Das bringt jetzt nichts."
    "Was für ein Hitzkopf.", meinte der Entführer. "Geradezu lächerlich. Aber jetzt zum Wesentlichen."
    "Wo ist sie?", fragte Shengo.
    Roflduhastlol ging ein paar Schritte zurück und griff nach einer Holzlatte, die aus dem Parkplatzzaun herausgebrochen war. Ein Nagel stand ganz vorne noch heraus.
    "Was hast du denn da vor?", flüsterte der Entführer in Roflduhastlols Ohr.
    Wie zum Henker war er so schnell dorthin gekommen? Keiner der Anderen hatte diese Bewegung gesehen und selbst ich hatte Probleme dieser Geschwindigkeit zu folgen. Dave schien es genauso zu gehen.
    Roflduhastlol ließ die Zaunlatte fallen und stolperte ein paar Schritte vom Mann in der Kutte weg.
    "Was... was ist das für ein Ding?", fragte er mit zitternder Stimme.
    "Oh, habe ich mich noch gar nicht vorgestellt? Mein Name ist Anselm vom Blanchard-Clan. Aber ihr braucht euch das nicht zu merken, das lohnt sich für euch nicht mehr."
    "Was soll das heißen?", fragte Lordi.
    "Du solltest doch alleine kommen.", rief Anselm mir zu.
    "Die werden dir keinen Ärger machen. Kommen wir endlich zum Grund meines Erscheinens.", antwortete ich ihm.
    Anselm, der gerade ausgeholt hatte, um Roflduhastlol anzugreifen, wechselte plötzlich die Richtung und stürmte auf mich zu. Im Bruchteil einer Sekunde stand er direkt vor mir, schlug aber nicht zu, sondern stoppte nur wenige Millimeter vor mir. Ich blieb ruhig stehen, ohne auch nur zu zucken, die Augen direkt auf meinen Feind gerichtet.
    "Wenn du mich nur töten wolltest, hättest du mich nicht herbestellt.", sagte ich ruhig. "Also, was war der Grund?"
    Anselm senkte seinen Arm und stand mir dann ganz gelassen gegenüber.
    "Du gehörst zur zweiten Generation.", sagte er.
    "Worauf willst du hinaus?", fragte ich.
    "Das Mädchen kann mir keine brauchbaren Krieger erschaffen, aber du kannst es und ich bin sicher, du wirst es tun."
    "Wie kommst du darauf?"
    "Ganz einfach. Es wird gleich Nacht. Solange die Sonne nicht scheint sind wir in der Überzahl."
    Er hob den Rechten Arm. In den Schatten um den Parkplatz herum erhoben sich jetzt nach und nach immer mehr dunkle Gestalten in schwarzen Umhängen. Je länger die Schatten der untergehenden Sonne wurden, umso näher kamen sie uns, aber keiner machte auch nur einen Schritt ins direkte Sonnenlicht.
    "Vampire.", sagte Dave leise.
    Die Anderen waren ihren Gesichtern nach zu urteilen absolut verwirrt. Alle, außer... aber das war doch nicht möglich...
    Lordi und Marcus traten aus der Gruppe hervor und stellten sich neben Dave.
    "Geben wir unser kleines Theater auf, Marcus. Man braucht uns hier.", sagte Lordi.
    "Es wird langsam Zeit. Ich habe schon ziemlichen Durst.", meinte Marcus entschlossen.
    Jetzt verstand ich auch, wie wir bei dem Unfall alle so glimpflich davon kommen konnten.
    Anselms Grinsen wurde immer breiter. In seinen Augen flackerte ein irrer Glanz. Er zog sich die Kaputze über den Kopf und meinte dann: "Das wird ja immer besser. Jetzt muss ich nur noch herausfinden, welcher Generation ihr alle angehört." Er deutete auf Marcus, Dave und Lordi.
    Während wir und unterhielten war der Webmaster mit Kingwitty, Roflduhastlol und Shengo zusammen vorsichtig ins Auto eingestiegen. Der Motor heulte auf, die Reifen schleuderten Kies umher und eine Staubwolke entstand aus der der Audi A4 plötzlich herausschoss und an uns vorbei die Bergstraße hinunterraste.

  • "Hoffentlich haben die einen guten Plan.", sagte Dave. "Ein bisschen Hilfe wäre nämlich nicht schlecht."
    Als der Staub sich wieder gelegt hatte, stand Anselm auf einem Felsen, von dem aus man den Parkplatz gut überblicken konnte. Die letzten Sonnenstrahlen erhellten den Parkplatz, auf dem jetzt die Laternen angingen.
    "Dann wollen wir doch mal sehen, wie stark ihr seid!", rief Anselm und hob erneut seinen Arm.
    "Wir haben wenig Zeit!", sagte Lordi in die Runde. "Die Anderen haben ASRloverock hier zurückgelassen."
    Ich blickte zum Ford Galaxy hinüber, hinter dem ASRloverock halb verdeckt stand und sich die Zaunlatte griff, die Shengo dort liegen gelassen hatte.
    "Nein, sie haben mich nicht zurückgelassen. Ich wollte bleiben und helfen.", sagte er etwas unsicher.
    "Na schön. Marcus, du passt auf ihn auf und deckst ihn. Wenn du Hilfe brauchst, sag mir schnell bescheid."
    "Geht klar, Meister Lordi.", antwortete Marcus.
    "Du hast Marcus zum Vampir gemacht?", fragte ich. "Wozu dann der gespielte Ohnmachtsanfall? Ich nehm doch mal stark an, dass der nicht echt war."
    "Diente zur Ablenkung. Die Anderen wissen nichts von uns und wir wollten, dass das so bleibt. So konntest du das Blut in aller Ruhe abwischen und dir was einfallen lassen.", antwortete Lordi und zog seine Jacke aus. Seitlich an seinem Körper hatte er gut getarnt ein gebogenes Schwert angebracht, das er jetzt hervorzog.
    "Ihr solltet euch auch bewaffnen.", meinte er. "Und beeilt euch! Die Sonne ist gleich weg!"
    Ich zog den Dolch, den ich immer bei mir trug, aus meinem Gürtel, Marcus zog zwei doppelseitige Faustdolche hervor und ging zu ASRloverock, nur Dave schien unbewaffnet zu sein.
    Ich sah ihn fragend an.
    "Du hast mich doch nach speziellen Fähigkeiten gefragt. Naja, ich konnte das vor den Anderen ja schlecht vorführen.", meinte er. Während seiner Worte veränderte sich sein rechter Arm. Er wurde dunkelgrau und sah jetzt muskulöser aus, außerdem glichen seine Finger jetzt eher Klauen, als einer menschlichen Hand.
    "Ich denke, die reicht mir als Waffe.", meinte Dave.
    "Es geht los!", rief Lordi.
    "Auf sie!", rief Anselm, als die Sonne hinter dem Berg verschwand und senkte seinen Arm.
    Die dunklen Gestalten sprangen von allen Seiten auf uns zu. Sie waren zahlenmäßig deutlich im Vorteil, so dass jeder von uns, ASRloverock eingeschlossen, sich etwa fünf Angreifern gegenübersah.
    Ich wich zwei Schlägen aus und wurde von links zur Seite gestoßen, als sich einer von ihnen gegen mich warf. Gleichzeitig zerriss ich mit dem Dolch einem anderen den Umhang, bevor ich mich abrollte und wieder auf den Beinen landete. Schon sauste ein weiterer Angreifer an mir vorbei und ich konnte seiner Attacke nur knapp ausweichen. Diesmal sah ich jedoch Metall aufblitzen. Die machten Ernst!
    Dave parierte einen Hieb nach dem anderen mit seiner Klauenhand und kam nur selten dazu zurückzuschlagen. Er sprang über seine Angreifer und ließ sich von oben auf sie herabfallen. Er durchstach einen der Männer mit seiner Hand und gab zwei anderen mit beiden Beinen gleichzeitig einen Tritt mit, wich dann geschickt einer Klinge aus und hechtete sich aus der Gefahrenzone, nur um kurz darauf wieder in den Nahkampf verwickelt zu werden.
    Lordi schien mit seinen Angreifern verhältnismäßig wenige Probleme zu haben. Er wich ihren Angriffen so schnell und gewandt aus, als könne er ihre Bewegungen vorhersehen. Während er dort geradezu durch die Klingen hindurchtanzte führte er sein Schwert sicher und gezielt, so dass regelmäßig frisches Blut an ihm kleben blieb. Er schien beinahe mit seinen Gegnern zu spielen und fand zwischendrin immer wieder Zeit einen Schluck Blut von seinem Schwert zu lecken.
    Nicht ganz so meisterhaft schlug sich Marcus, der aber auch wesentlich mehr Feinde vor sich hatte. Er wirbelte immer wieder in die Menge der Feinde hinein, konnte aber nie tödliche Treffer ausführen, da er gezwungen war, die Klingen, die auf ASRloverock herniedersausten zu parieren. ASRloverock war ihm scheinbar keine große Hilfe, denn er schlug zwar immer wieder zu und traf auch ab und an, aber von seiner Holzlatte schienen sich die Männer in den schwarzen Umhängen nicht beeindrucken zu lassen. Einer von ihnen schmetterte ihm die Waffe aus der Hand und schleuderte ihn dann kurzerhand gegen das Auto, wo er regungslos liegen blieb.
    "Lordi!", rief Marcus, während er erneut einen Hieb parierte. "Ich könnte langsam wirklich...", er stöhnte, als eine Klinge sich in sein linkes Bein bohrte.
    Lordi hatte verstanden. Er machte einen beeindruckenden Satz zu Marcus hinüber und zerschnitt bei der Landung einen Angreifer der Länge nach in zwei Hälften. Dann bekämpfte er mit Marcus zusammen die übrigen Feinde. Die beiden hatten eine perfekte Kampftaktik. Marcus parierte einen Hieb, der sonst Lordi erwischt hätte, während Lordi einen Gegner vor sich verletzte, dann tauschten beide mit einer Drehung Plätze und Lordi durchstieß mit dem Schwert den Angreifer, der von Marcus geblockt wurde, während Marcus dem Verletzten den Todesstoß gab.
    Dave kämpfte sich zu mir durch, so dass wir Rücken an Rücken standen.
    "Was meinst du? Die können uns doch nicht wie Anfänger aussehen lassen.", sagte er und kratzte einem der Männer vier tiefe Schnitte ins Gesicht.
    "Aber du bist doch noch ein Anfänger.", entgegnete ich und griff mir den Arm, den ich dem Mann vor mir gerade abgetrennt hatte, um ihm damit einen Faustschlag mitzugeben. "Sagtest du nicht, dass du erst vor einem Monat gebissen wurdest?"
    "Duck dich!", rief Dave und schlug mit seinen Krallen haarscharf über mir vorbei, das einen weiteren Angreifer das Leben kostete. "Ich sagte, ich wurde letztes Jahr gebissen, nicht letzten Monat." Während Daves Worten sprang Marcus in die Feindgruppe vor und machte Hackfleisch aus zwei weiteren dunklen Gestalten. Ich stieß mit dem Dolch noch einmal zu und rammte ihn dabei tief in die Schulter eines Mannes. Ein kleiner Ruck in der Drehung und der Arm war unbrauchbar geworden. Dave sprang an mir vorbei und blockte einen Versuch, mich niederzustrecken. Wie aus dem Nichts tauchte Lordi auf und erledigte den Kerl, in dem immernoch mein Dolch steckte.
    "Das wars.", meinte er triumphierend.

  • Ein lautes Klatschen hallte über den Parkplatz, der jetzt von Blut getränkt war. Wir stellten uns mit gezogenen Waffen um ASRloverock herum auf.
    "Wirklich ausgezeichnet!", rief Anselm. "Du da!" Er zeigte auf Lordi. "Du gehörst der ersten Generation an, stimmts? Und der Kleine da..." Jetzt deutete er auf Marcus. "Der da dürfte dein Diener sein, nicht Wahr?"
    "Ich habe ihn erschaffen, falls du das meinst.", rief Lordi zurück. "Aber ich habe ihn nie als Diener betrachtet!"
    "Du bist schwach! Nicht körperlich, das hast du bewiesen, aber dein Geist ist schwach. Nur wer seine Untertanen mit harter Hand führt, kann zum absoluten Herrscher werden!" Anselms Stimme steigerte sich und klang am Ende beinahe überdreht. "Aber wenn du erst für mich weitere Diener erschaffen hast, dann werde ich dir zeigen, was ich meine."
    "Ich verstehs nicht.", meinte Dave. "Er ist doch auch ein Vampir, wieso erschafft er sich nicht selbst neue Diener?"
    "Du hast doch gerade gesehen, wie schwach die waren.", erklärte Lordi. "Ich vermute mal, er braucht Vampire, die nicht im Sonnenlicht verbrennen. Er selbst gehört wohl nur der dritten Generation an."
    "Ich herrsche auch über stärkere Truppen!", schrie er uns entgegen. "Das werdet ihr schon zu spüren bekommen!"
    "Wie kann es eigentlich sein, dass er so schnell ist?", fragte Marcus. "Vorhin hat er eindrucksvoll bewiesen, zu was er fähig ist."
    "Das ist die Fähigkeit der Vampire des Blanchard-Clans.", sagte Lordi. "Dieser Typ nimmt uns nicht ernst, er spielt mit uns. Aber soll er uns ruhig unterschätzen."
    "Wie kommst du darauf, dass er uns nicht ernst nimmt?", wollte Dave wissen.
    "Ganz einfach.", klärte Lordi uns auf. "Er hat diese Diener doch erschaffen. Trotzdem haben sie ihre Geschwindigkeit nicht genutzt. Außerdem bin ich mir fast sicher, dass diese Mäntel, die sie tragen sie perfekt vor Sonne schützen können. Er hat uns damit nur unter einem Vorwand Zeit gegeben."
    "Stimmt.", überlegte ich. "In Denver hatte ich auch tagsüber einige Begegnungen mit diesen Gestalten."
    "Er haut ab!", rief Marcus und deutete in Richtung des Felsens.
    Anselm bewegte sich ziemlich schnell auf den Gipfel des Berges zu. Ich konnte dort oben eine scheinbar ziemlich ausgedehnte Aussichtsplattform erahnen. Dort musste auch AnnaSophia sein!
    "Hinterher!", meinte Dave, aber Lordi hielt ihn fest.
    "Denkst du nicht, wir sollten uns um ASRloverock kümmern?"
    "Was sollen wir denn tun? Ihn auch noch verwandeln?"
    "Kein schlechter Gedanke Dave, aber wenn es zu viele Vampire gibt werden die Menschen uns bemerken und Jagd auf uns machen. Nein, ich dachte eher daran, dass einer von uns hier bleibt und auf ihn aufpasst, bis die Anderen zurück sind." Lordi blickte mich fragend an.
    "Oh nein! Ich werde nicht warten, während ihr euren Spaß da oben habt."
    "Spaß? Was hast du denn für eine komische Einstellung?", fragte Marcus und versuchte, den Ensetzten zu mimen, aber durch seine Fassade schimmerten auch schon die ersten Funken Vorfreude.
    "Dave?", fragte Lordi, doch der schüttelte nur den Kopf, ballte seine Klauenhand und streckte sie der Aussichtsplattform entgegen.
    "Ohne mich werdet ihr es schwer haben.", meinte Lordi und ich hatte das ungute Gefühl, dass es sogar mit ihm schwer werden würde. "Wir werden ASRloverock also mitnehmen", fügte er hinzu und nahm ihn auf die Schultern. Diese Lösung schien ASRloverock auch zu gefallen, denn er öffnete die Augen einen Spalt breit und verlangte, dass wir ihm seine Zaunlatte mitnehmen sollten.
    "Die brauchst du nicht mehr. Nimm das hier." Lordi übergab ihm sein Schwert. "Aber versuch möglichst wenig Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen und benutze es nur im Notfall."
    "Und womit kämpfst du jetzt?", fragten Dave und ich gleichzeitig.
    Marcus schien es schon zu wissen, denn seine Augen begannen zu leuchten. "Ihr werdet schon sehen. Seine Waffe ist...", sagte er und richtete dabei den Blick gen Himmel, wo sich hinter einigen Wolkenbändern der Mond erahnen ließ. Dave, ASRloverock und ich tauschten fragende Blicke aus und zuckten reihum mit den Schultern. "Wartets nur ab...", sagte Marcus in stiller Begeisterung.
    Wir folgten Anselm den Hang hinauf bis zum Gipfel, doch die Aussicht konnten wir nicht genießen, und das nicht nur, weil es stockfinster war.

  • Anselm wartete schon auf uns. Überraschenderweise war er allein.
    "Ihr solltet euch entschließen mir zu dienen, sonst überlebt das hier keiner von euch!", begrüßte er uns.
    "Wozu brauchst du uns überhaupt, wenn du sowieso lichtresistente Vampire erschaffen kannst? Und wo ist AnnaSophia?", rief ich ihm entgegen, was ihn sehr zu amüsieren schien.
    "Nicht so stürmisch, mein Freund. Du hast doch eben selbst gesehen, wie schwach diese lächerlichen Diener waren. Das ist nichts weiter, als Verbrauchsmaterial. Ich brauche aber richtige Krieger, um meine Pläne zu verwirklichen.", antwortete er.
    "Verbrauchsmaterial? Der Typ hat sie doch nicht mehr alle!", meinte ASRloverock. "Von seinen Plänen will ich erst gar nichts wissen!"
    "Ich biete euch erneut die Gelegenheit, euch mir anzuschließen. Wenn ihr keinen Widerstand leistet, dann wird weder euch, noch diesem Mädchen, das euch so wichtig ist, etwas passieren. Ich hatte ja ursprünglich gehofft, dass sie für mich ein paar Vampire erschaffen kann, aber sie gehört auch nur der dritten Generation an.", sagte Anselm und klang dabei etwas säuerlich.
    "Wo ist sie? Rück sie raus, sonst...", drohte Dave.
    "Also wollt ihr euch mir wohl nicht anschließen. Eigentlich schade um euch." Mit diesen Worten sprang Anselm auf das Gipfelkreuz und blieb dort oben stehen, so dass sich seine Silhouette gegen den Himmel deutlich abhob.
    Erst passierte gar nichts, doch Lordi warnte uns: "Passt auf, die sind schon etwas geschickter als die von vorhin."
    Ich verstand nicht, was er meinte und blickte hastig umher. Hier ein Huschen in den Schatten, da ein wehender Umhang, dort ein paar blutrote Augen, die unter einer Kaputze hervorblitzten.
    "Könnt ihr sie sehen?", fragte Lordi. "Es sind fünf.", fügte er hinzu, als niemand etwas sagte. "Jeder von uns bekommt einen."
    Ich festigte den Griff um meinen Dolch und versuchte mich zu konzentrieren.
    "Keine falsche Bescheidenheit, haltet euch nicht zurück! Das sind diesmal echte Gegner!", wies Lordi uns an. Und dann sprang der erste von ihnen aus den Schatten.
    Er schien direkt auf Lordi loszustürmen, doch kurz vor Lordi stieß er sich vom Boden ab und versuchte aus der Luft ASRloverock zu attackieren, der immernoch um Lordis Schultern hing. Lordi machte eine schnelle Drehung zur Seite, mit der er ASRloverock absetzte, und ließ den Feind ins Leere schlagen. ASRloverock hob das Schwert und ergriff es auch mit der anderen Hand. Der Schock angegriffen zu werden hatte ihn wohl seine Schmerzen vergessen lassen. Doch mir blieb keine Zeit mehr, ihn zu beobachten, denn aus der Dunkelheit kam mir ein ziemlich gewaltiger Körper entgegen, dem ich nicht mehr ausweichen konnte. Beim Aufprall hatte mir dieser Typ alle Rippen gebrochen, oder zumindest empfand ich es so. Ich wurde in hohem Bogen durch die Luft geschleudert und landete gefährlich nahe am Geländer der Aussichtsplattform, von deren Rand es einige hundert Meter in die Tiefe ging. Dieser wuchtige Typ hatte mich so schwer erwischt, dass ich einige blinkende Lichter sehen konnte und ein seltsames brummen in meinem Kopf hörte. Ich rappelte mich hoch, riss den Kopf aber sofort wieder nach unten, da Dave gerade im Tiefflug in meine Richtung unterwegs war. Er streifte mich und blieb stöhnend im Geländer hängen. Ich versuchte auf die Beine zu kommen, wurde aber von einem erneuten Volltreffer durch den gewaltigen Kerl wieder einige Meter weggeschleudert, so dass ich neben Dave im Geländer, das nun schon zu wackeln begann, landete.
    "Was für eine Kraft.", brachte ich gerade noch so heraus.
    "Was für eine Geschwindigkeit.", ergänzte Dave. "Das ist doch nicht mehr normal."
    "Sag bloß."
    "Kopf runter!", rief Dave und riss mich zu Boden.
    Gerade noch rechtzeitig, denn nur Bruchteile von Sekunden später durchbrach eine der schwarz gekleideten Gestalten das Geländer an genau der Stelle, gegen die wir uns gerade noch gelehnt hatten. Eine Blutspur folgte seiner Flugbahn. Ich richtete den Blick nach oben. Offenbar war der Kerl dort nicht freiwillig durchgeflogen, denn das Blut führte zu Lordi, der vor uns stand und von dessen Hand noch der rote Saft tropfte. Er führte sie zu seinem Mund und nahm einen kräftigen Schluck. Seine Augen sahen anders aus, als zuvor. Die Pupillen waren extrem geweitet und ihre Farbe hatte sich zu seinem strahlenden Silber gewandelt.
    Er zog uns hoch und wandte sich dann zu ASRloverock um, der sich gerade mit Mühe gegen einen der schwarzen Vampire verteidigte. Marcus war gerade in einen heftigen Nahkampf gegen einen der Übrigen verwickelt und von der anderen Seite stürmte der Bullige Kerl auf ihn zu. Ich warf meinen Dolch in seine Richtung und sprang hinterher, obwohl es mir Schmerzen bereitete. Der Dolch verfehlte sein Ziel und schlitterte über die Plattform, bis er auf der anderen Seite unter dem Geländer durchrutschte und in der Dunkelheit verschwand. In der Luft prallte ich zum dritten Mal mit dem gewaltigen Kerl zusammen, was einerseits Marcus rettete, mich aber andererseits erneut wegschleuderte. Ich krachte mit hoher Geschwindigkeit auf die Plattform und blieb dort liegen, wie ein nasser Sack. Die nächsten paar Minuten würde ich nicht mehr in der Lage sein zu kämpfen. Das Brummen wurde lauter und ich sah schon wieder blinkende Lichter.
    Wie seltsam... Die Lichter bewegten sich ja auf mich zu...
    Plötzlich wurde die ganze Plattform in grelles Licht getaucht. Was zum Henker war das?
    Dave schlug einen Vampir beiseite, der versuchte mich zu attackieren. Er blieb neben mir stehen und rief über den Lärm hinweg: "Da sind sie ja endlich!"
    Moment... er rief über den Lärm hinweg? Das musste bedeuten, dass er es auch hören konnte. Ich blickte nach oben und aus dem Brummen wurde langsam eher eine Art Knattern. Und dann erkannte ich, was das war.

  • "Hubschrauber!", rief Marcus, der sich immernoch im Zweikampf gegen einen der Vampire halten musste. "Aber wer...?"
    Aus den Hubschraubern seilten sich mehrere Personen ab, aber gegen das Scheinwerferlicht waren nur Umrisse zu erkennen. Erst als Roflduhastlols Stimme rief: "Na da kommen wir wohl gerade noch rechtzeitig!", wurde mir klar, wer das nur sein konnte.
    Das Knattern der Hubschrauber wurde von mehreren Schüssen kurz übertönt. Dave half mir auf die Beine und stützte mich ab, so dass ich auch sehen konnte, was passierte. Der Vampir, den Marcus so lange in Schach gehalten hatte war zusammengebrochen und zuckte jetzt nur noch. Marcus schien auch erst nicht zu erkennen, wer das war, doch dann trat Shengo aus dem direkten Scheinwerferlicht und zielte auf eine weitere Gestalt in schwarzem Umhang, die sich gerade über ASRloverock hermachen wollte, doch er zögerte kurz. Entsetzt sahen alle zu, wie Shengo sein Ziel verfehlte und der Vampir sich ASRloverock extrem schnell näherte. ASRloverock kniff die Augen zusammen und riss das Schwert nach oben. Die Klinge durchbohrte den Körper der Angreifers und kam mit einer Blutfontäne aus dessen Rücken. Beide riss es von den Füßen und sie blieben nebeneinander auf dem Boden liegen. Diesmal machte Shengo kurzen Prozess und schoss dem Vampir mehrere Kugeln gezielt ins Herz.
    Mittlerweile waren auch Kingwitty und der Webmaster auf der Plattform gelandet, zusammen mit zwei weiteren Gestalten, die ich nicht erkannte. Kingwitty zielte mit seiner Pistole auf den nächsten Vampir, doch Lordi kam ihm zuvor und versetzte seinem Gegenüber einen saftigen Tritt an eine Stelle, an der es sogar Vampiren besonders weh tut. Von der Wucht des Tritts flog der Mann weit über das Geländer und folgte damit seinem Kollegen in die Tiefe.
    Der letzte noch übrige Vampir war der große bullige, der mich gerade beinahe zu Hackfleisch verarbeitet hätte. Doch statt weiterzukämpfen, zog er es vor zu seinem Meister zurückzukehren. Er rannte zum Gipfelkreuz, auf dem immernoch Anselm stand und die Situation im Auge behielt. Er sah nicht besonders zufrieden aus.
    "Na, alles noch dran?", fragte Kingwitty und sah abwechselnd mich und ASRloverock an, der auch ziemlich mitgenommen aussah. Dann fiel sein Blick auf Dave. "Um Himmels Willen, was ist DAS denn?!"
    Dave wirkte verwirrt und kratzte sich mit seiner Klauenhand am Hinterkopf, bis ihm auffiel, dass vermutlich genau diese Hand Kingwitty so verdutzt hatte. "Oh, ach das... ääh, das ist...", begann er, doch er hatte keinen Schimmer, wie er das jetzt erklären sollte. Kingwitty zwinkerte ihm zu und sagte: "Schon gut, ich weiß bescheid. Dieser Herr hier hat uns vorgewarnt."
    Bei diesen Worten traten die beiden Gestalten, die ich zuvor nicht erkannt hatte, aus dem grellen Licht heraus. Den Einen erkannte ich immernoch nicht, aber der andere... "Das ist doch...", keuchte ich etwas verwirrt.
    "... der hoogwelgeboren heer Ruben Luuk Milan vander Blad", ergänzte vander Blad. "Sehr erfreut dich wiederzusehen."
    "Woher wussten Sie...?"
    "Ich verfolgte gerade die Spur eines grimmigen Stoßzahnvampirs, als die Zentrale mir über Funk bescheid gab, dass es etwas neues zu tun gibt. Um so einen Stoßzahnvampir kann sich jeder Anfänger kümmern, aber für so einen kniffligen Fall braucht man natürlich den Besten.", sagte vander Blad und verfiel in ein selbstgefälliges lautes Lachen.
    "Und wer ist das da?", fragte ich und deutete auf den anderen Mann. Er sah noch recht jung aus.
    "Das ist der Leiter unserer medizinischen Abteilung.", meinte vander Blad.
    "Und er ist auch in unserem Forum registriert.", fügte der Webmaster hinzu. "Das ist Mindful."
    "Leiter der medizinischen Abteilung?", fragte ich etwas verwundert. "So jemanden können wir hier gerade sehr gut brauchen, aber ... ist er nicht etwas zu jung dafür?"
    "Er ist ein Naturtalent. Hat das gesamte Wissen über Medizin in nur vier Monaten verinnerlicht und ist auch in der Lage es zu benutzen.", lobte ihn vander Blad.
    Mindful stand nur da, in einem weißen langen Kittel, wie ich jetzt erkannte, und musterte mich.
    "Außergewöhnlich schnelle Wundheilung.", murmelte er. "Selbst für einen Vampir."
    Ich hatte mittlerweile wieder die Kraft, auf eigenen Beinen zu stehen und ließ Dave los, taumelte ein wenig und machte ein paar Schritte auf Mindful zu, um ihm die Hand hinzuhalten.
    "Sehr erfreut.", brachte ich mit Mühe heraus.
    "Seid ihr bald fertig, mir wird langsam langweilig.", hallte es über die Plattform, die jetzt insgesamt wieder ruhig war, da die beiden Hubschrauber in der Zwischenzeit gelandet waren. Anselm sprang von seinem Gipfelkreuz herunter und machte einige Schritte auf ein großes Bündel zu. Roflduhastlol richtete einen der Scheinwerfer in dessen Richtung und man konnte jetzt erkennen, was das "Bündel" eigentlich war.
    "AnnaSophia!", riefen Kingwitty, Marcus und Dave im Chor.
    "Ganz recht.", meinte Anselm und hob sie hoch. Sie war gefesselt und geknebelt und hatte unserem Kampf vorhin offenbar die ganze Zeit über zugesehen. Doch jetzt kam sie auch in Gefahr, denn Anselm ging mit ihr zum Geländer und lehnte sie so dagegen, dass die nächste Berührung oder eine unbedachte Bewegung sie in den schwarzen Schlund unter ihr befördern würde.
    Sie riss die Augen panisch auf und flehte uns mit ihren Blicken um Hilfe an. Ich wurde wütend.
    "Lass sie sofort gehen!", schrie ich.
    "Aber davon hätte ich doch nichts. Im Gegenteil, ihr würdet euch vermutlich sofort auf mich stürzen, sobald sie bei euch ist.", sagte Anselm nachdenklich. "Ja wirklich, eine schlechte Situation. Lasse ich sie gehen, geift ihr mich an. Lasse ich sie nicht gehen, greift ihr mich an. Und keine Chance sich zu einigen?"
    "Niemals!", kam es von allen gleichzeitig. Mindful kümmerte sich mittlerweile um ASRloverock, dem es doch schlechter ging, als es aussah. Die Übrigen zogen ihre Waffen und machten sich kampfbereit.
    "In diesem Falle...", meinte Anselm mit gleichgültiger Miene und bewegte seinen Arm auf AnnaSophia zu, bis er sie berührte. "Noch irgendwelche letzten Worte?"
    Sie versuchte erfolglos den Knebel irgendwie loszuwerden.
    "Nichts?", flüsterte Anselm ihr zu. "Wie schade, da machen die sich den langen Weg hierher und du hast ihnen nichts zu sagen? Ein Jammer."
    Wir sahen entsetzt zu, wie er AnnaSophia einen kleinen Stoß verpasste und es kam mir vor wie in Zeitlupe, als sie langsam aber sicher nach hinten kippte, die Augen weit aufriss und dann in die Tiefe fiel. Ich stand da wie gelähmt, ganz im Gegensatz zu Lordi, der auf Anselm zurannte. Anselm blieb unbekümmert stehen, während Lordi näher kam. Doch Lordi wollte ihn offenbar auch gar nicht angreifen. Stattdessen sprang er über das Geländer und AnnaSophia hinterher. Ich konnte es nicht fassen. Wieso hat er das gemacht?
    "Das erste Problem wäre damit gelöst.", meinte Anselm mit einem Schulterzucken. Dann wandte er sich uns zu. "Jetzt also zu euch. Ich gebe zu, ich hätte nicht gedacht, dass ihr meine Diener besiegt. Aber das macht jetzt auch keinen Unterschied mehr. Da ihr nicht kooperieren wollt, muss ich mir eben woanders Vampire suchen, die willens sind, mir neue Diener zu erschaffen."
    "Du wirst diesen Ort nur noch in Einzelteilen verlassen! Mach dich auf deinen Untergang gefasst! Du hast AnnaSophia nicht umsonst da runtergeworfen!", schrie ich ihn an. Meine Augen wurden rot und meine Muskeln waren zum zerreißen gespannt, auch wenn das in meinem Zustand nicht ganz schmerzlos war.

  • Dave hob seine Klauenhand und schien bereit zu sein, jederzeit loszurennen. Kingwitty, Roflduhastlol, vander Blad und Shengo hoben ihre Waffen. Der Webmaster eilte zu ASRloverock und drückte ihm eine Pistole in die Hand. "Silberkugeln.", kommentierte er.
    Mindful schien die schlimmsten Wunden versorgt zu haben und er trug ASRloverock mit der Unterstützung des Webmasters zu einem der Hubschrauber.
    "Verstehe ich das jetzt richtig? IHR wollt es mit mir aufnehmen? Das ist ja lächerlich. Gortal, vorwärts!"
    Der bullige Vampir, der noch am Gipfelkreuz stand grunzte nur einmal und setzte sich dann in Bewegung. Er stürmte direkt auf Marcus zu. Roflduhastlol und Shengo eröffneten das Feuer, doch keiner der beiden traf.
    "Es ist nicht so einfach auf ein bewegliches Ziel zu schießen, lasst euch mehr Zeit zum Anpeilen.", sagte vander Blad, hob aber dann entgegen der Worte, die er eben ausgesprochen hatte, seinen Revolver mit einer schnellen Bewegung und drückte zweimal ab. Die Kugeln bohrten sich in Gortals Beine und er wurde zu Fall gebracht. Roflduhastlol stand der Mund offen, während Shengo nur "Angeber." murmelte.
    Marcus nutzte die Gelegenheit und stieß mit seinen Faustdolchen zu. Eine weitere Blutpfütze breitete sich auf der Plattform aus. Marcus zog seine Dolche wieder aus dem Körper und leckte sie ab. Seine Augen wurden nun auch Blutrot, was ein sicheres Anzeichen dafür war, dass er genauso zum Zerreißen angespannt war wie ich.
    "Ihr meint es also ernst. Dann werde ich mich auch nicht zurückhalten. Dies ist der Tag eures Todes!", sagte Anselm laut.
    "Nein!", erwiederte ich. "Dies ist der Tag der Rache für das, was du AnnaSophia angetan hast!"
    Anselm hob die Stimme: "Lasst es beginnen!"
    Aus den Schatten der Tiefe kletterten mehrere weitere Männer in schwarzen Umhängen auf die Plattform und begannen, uns anzugreifen. Ich wollte mich jetzt nicht mehr mit irgendwelchen Dienern rumschlagen, ich wollte Anselms Blut!
    Ich rannte auf ihn zu, Marcus und Dave begleiteten mich. Anselm wich meinem ersten Hieb aus, packte Daves Klauenhand und warf ihn mit einer Drehung quer über die Plattform, bevor er mit einem saftigen Tritt Marcus einen der beiden Faustdolche wegschleuderte. Die andere Waffe blockte er, indem er mich direkt davor warf. Marcus konnte den Schlag nicht mehr aufhalten und die Klinge bohrte sich mir zwischen die Rippen. Glücklicherweise hatte er nur die rechte Seite erwischt, doch das genügte, um mich vorerst wieder kampfunfähig zu machen.
    Hinter uns fielen einige Schüsse, als sich die Anderen gegen die angreifenden Vampire verteidigten. Um sie brauchte ich mir keine Sorgen zu machen, schließlich kämpfte vander Blad an ihrer Seite.
    Ich sank zu Boden und beobachtete von dort aus, wie Dave wieder zu Anselm rannte und einen Schlaghagel losließ. Marcus ignorierte, dass er mich verwundet hatte und setzte seine Attacken auch fort, doch Anselm bewegte sich so schnell, dass keiner der beiden ihn auch nur berührte.
    "Langsam reichts mir aber.", rief Anselm und fegte Dave mit einem brutalen Faustschlag hinweg, bevor er sich Marcus griff. Er packte ihn an beiden Schultern und begann ihn zusammenzudrücken.
    Man konnte sehen, wie Marcus mit der Ohnmacht kämpfte, seine Schmerzen mussten wirklich stark sein.
    "Lass ihn sofort los!", ertönte plötzlich eine Stimme hinter Anselm. Der schleuderte Marcus auf den Boden, wo er neben mir keuchend liegen blieb, und wandte sich um.
    "Unmöglich...", brach es aus ihm heraus.
    Vor ihm stand niemand geringerer als Lordi, der gerade AnnaSophia absetzte. Zwei gewaltige schwarze, ledrige Flügel standen ihm aus den Schulterblättern heraus, zu denen sich auf Höhe der Hüfte noch zwei weitere, kleinere gesellten. Seine Augen leuchteten immernoch silbern.
    AnnaSophia rannte sofort zu mir und warf sich mir um den Hals, was angesichts der Tatsache, dass ich mit massenhaft gebrochenen Knochen und einigen offenen Wunden am Boden lag, nicht besonders angenehm war.
    "Keine... Sorge. Du bist... in Sicherheit... Ich passe... auf dich auf.", ächzte ich.
    Sie schwieg und umklammerte mich weiter.
    Anselm starrte immernoch entgeistert auf Lordi.
    "Das sind also die Kräfte der ersten Generation.", sagte er gebannt vom Anblick der Flügel.
    "Du hast nicht einmal ansatzweise eine Ahnung davon, wie mächtig ich wirklich bin.", sagte Lordi, dessen Stimme sich anhörte, als würde er in einer großen Halle sprechen. Sie schien von überall zu kommen und hallte in meinen Ohren wieder. "Diese Flügel findest du beeindruckend? Sogar Vampire der zweiten Generation besitzen sie."
    Da hatte er recht. Ich hatte meine Flügel schon einige Male benutzt, wenn man mich nicht sehen konnte, jedoch besaß ich nur zwei und nicht vier, wie Lordi.
    Die Kämpfe hinter uns fanden gerade ein Ende, als vander Blad Kingwitty zur Seite stieß und ihn damit vor einem aufblitzenden Schwert rettete und Shengo den Angreifer mit einer gezielten Silberkugel in den Kopf ausschaltete.
    Dann scharten sich alle schützend um Marcus, AnnaSophia und mich und wandten sich Lordi zu. Wir beobachteten, wie er seinen Kopf in den Nacken legte und zum Himmel starrte. Ich blickte an AnnaSophia vorbei auch nach oben und sah, dass der Mond nun die Wolken um sich verdrängt hatte und in voller Größe am Himmel stand.

  • Lordi griff nach oben, als wollte er den Mond in die Hand nehmen und einen Moment lang dachte ich, dass er genau das getan hatte, als ein gleißend Heller Schein von seiner Hand ausging. Ich war geblendet und musste die Augen zusammenkneifen, um etwas zu erkennen. Auch AnnaSophia war scheinbar an dem hellen Licht interessiert, denn sie lockerte den Griff und blickte auch zu Lordi hinüber. In seiner Hand hielt er nun etwas, das sehr stark an eine Sense erinnerte, nur dass ihre Klinge aus grell leuchtendem Licht zu bestehen schien.
    Lordi stürzte sich auf Anselm, der geschockt zur Seite stolperte und der grellen Klinge nur haarscharf entkam. Der Kampf zwischen den beiden ging in einem unglaublichen Tempo vonstatten. Man sah nur die Lichtsense hin und her wirbeln und hier und da aufblitzen, wenn sie auf das Schwert traf, das Anselm aus dem Umhang gezogen hatte.
    Als die beiden uns gerade sehr nahe waren rief Lordi: "Worauf wartet ihr, verschwindet! Hier oben ist es für euch nicht mehr sicher!"
    "Er hat recht. Los, weg hier!", sagte vander Blad. "Ich werde noch da bleiben und ihm etwas zur Hand gehen." Mit diesen Worten zog er eine lange Kette mit einer silbernen Klinge am Ende hervor und wirbelte ins Kampfgewühl hinein.
    Der Webmaster und Roflduhastlol packten ihre Waffen weg und hoben Marcus vorsichtig hoch. AnnaSophia und Dave, der selbst kaum richtig stehen konnte, zogen mich nach oben und Mindful half, uns zu stützen. Wir wandten uns den Hubschraubern zu und wollten gerade dorthin gehen, als einer der beiden von Lordis Lichtklinge getroffen wurde. Ein Feuer brach aus und drohte auf den zweiten Hubschrauber überzugreifen.
    "Nein!", rief Kingwitty und stürmte auf den zweiten Hubschrauber zu, Shengo folgte ihm.
    "Bleibt hier, das ist zu gefährlich!", rief Dave.
    Der erste Hubschrauber flog in die Luft, katapultierte dabei den zweiten Hubschrauber den Berg hinunter und ein Flammenmeer loderte in unsere Richtung.
    "Um Himmels Willen.", sagte Roflduhastlol verzweifelt.
    Doch dann sahen wir, wie zwischen den Flammen erst Kingwitty auftauchte und kurz darauf auch Shengo. Die beiden trugen ASRloverock aus der Gefahrenzone und bewegten sich dann auf eine Treppe zu, die von der Aussichtsplattform nach unten führte. Erleichterung machte sich unter uns breit und wir folgten den dreien.
    Als auch wir an der Treppe angekommen waren, wandte ich mich noch einmal um. Vander Blad richtete sich gerade wieder auf und hielt sich den Hinterkopf, während Anselm einer wirbelnden Attacke der Lichtsense auswich.
    "Los jetzt, wir haben keine Zeit!", rief Mindful und schob mich die Treppe hinunter.
    Wir hörten die Kampfgeräusche hinter uns hallen, während wir auf dem Weg ein Stück den Berg hinab zum Parkplatz waren. Doch als wir dort ankamen sahen wir nur dem Wrack des Ford Galaxy gegenüber und einer ganzen Gruppe Männer in schwarzen Umhängen, die den Wagen unbrauchbar gemacht hatten. Sie bemerkten uns nicht und wir zogen uns ein Stück den Weg zurück.
    "Verdammt, was machen wir jetzt?", fragte Marcus, der schon wieder allein laufen konnte.
    Ich entwand mich den Griffen von Mindful und AnnaSophia, um nicht schwächer auszusehen, als ich war.
    "Sie haben dich gehört! Sie kommen!", rief Kingwitty plötzlich.
    "Los, wir teilen uns auf!", sagte Dave und rannte los. AnnaSophia, Mindful und ich folgten ihm, als er vom asphaltierten Weg in einen Trampelpfad abbog, der in richtung eines düsteren Bergwaldes führte. "Da drin haben wir bessere Chancen davon zu kommen!"
    Der Webmaster, Roflduhastlol und Marcus liefen in die andere Richtung, in der eine abgelegene Berghütte lag, von der aus ein Pfad ins Tal führte, Shengo und Kingwitty folgten uns.
    Als wir am Waldrand angekommen waren drehte ich mich um. Wir hatten Kingwitty und Shengo, die immernoch ASRloverock trugen weit hinter uns gelassen und sie waren quer über die Wiese gelaufen, in der Hoffnung sich im Schilf eines nahegelegenen Teichs verstecken zu können.
    Weiter hinten stürmten gerade die ersten schwarzen Gestalten auf den Trampelpfad und verfolgten uns hartnäckig.
    Wir beschlossen, den Weg zu verlassen und rannten nun zwischen den Bäumen hindurch.
    "Glaubt ihr, die holen uns ein?", fragte Dave.
    "Nicht, wenn wir schnell genug sind.", antwortete ich. "Aber wir sind nicht schnell genug. Legt mal nen Zahn zu."
    "Ich habe mich noch gar nicht für meine Rettung bedankt.", meinte AnnaSophia.
    "Das kannst du später machen.", sagte Dave. "Im Moment sind wir noch nicht raus aus der Sache."
    Ich stöhnte kurz, weil die ersten Knochen anfingen, an ihre Plätze zurück zu wandern.
    "Hey Mindful, was meinst du? Werden seine Wunden wieder vollständig heilen?", fragte Dave. "Ich meine, du bist doch vom Fach, oder?"
    "Ich kann dir auch selber sagen, dass das wieder wird. Dafür brauchen wir keinen Experten.", sagte ich.
    "Ich wollte ja nur mal hören, was Mindful dazu zu sagen hat.", grummelte Dave.
    "Mindful?", fragte AnnaSophia plötzlich.
    Keine Antwort.
    Wir blieben kurz stehen und sahen uns um. Mindful war nicht mehr bei uns.

  • "Verdammt, wir haben ihn aus den Augen verloren!", bemerkte Dave.
    "Sag bloß. Aber wir haben keine Zeit, um ihn zu suchen. Die Typen in den schwarzen Umhängen können jederzeit hier sein.", sagte ich.
    "Seht euch das an.", rief AnnaSophia plötzlich.
    "Los, nach rechts!", sagte Dave. "Da vorne wirds mir zu heiß."
    Vor uns stand der Wald in Flammen, die sich mit rasanter Geschwindigkeit ausbreiteten. Wir änderten also die Richtung, doch es dauerte nicht lange, bis vor uns erneut Flammen hochschlugen.
    "Zurück können wir nicht mehr!", rief ich.
    "Dann eben hier links!", rief Dave.
    "Nein, dann kreisen uns die Flammen ein." AnnaSophia war panisch.
    Wir kamen langsam in ebeneres Gelände und der Wald veränderte sich. Wo zuvor nur Fichten standen waren wir jetzt umgeben von allerlei Arten von Bäumen.
    "Ein Mischwald? Dann sind wir schon fast im Tal.", kombinierte Dave. "Allerdings kann sich das Feuer hier noch schneller ausbreiten."
    "Da vorne ist ein Weg!", bemerkte AnnaSophia. "Der führt uns sicher aus dem Wald heraus!"
    Wir rannten bis zu dem Waldweg und folgten ihm ein Stück weit, bis das Feuer uns auch hier eingeholt hatte. Rings um uns brannte es jetzt überall und wir konnten nur weiter dem Weg folgen.
    "Das ist jetzt irgendwie nicht so gut.", sagte Dave. "Ich will nicht hier als flambiertes Steak enden."
    Mir schwanden langsam die Kräfte. Vampire konnten sich vielleicht regenerieren, aber sie besaßen trotzdem keine unendlichen Kraftreserven. Meine Schritte wurden kleiner und langsamer und auch Dave schien es nicht besser zu gehen.
    "Verdammt, sie kommen!", rief Dave und deutete hinter uns. Einige Männer stürmten zwischen den Flammen hindurch auf uns zu.
    Ich hatte eine vage Ahnung, was gleich kommen würde und sagte zu AnnaSophia: "Lass uns hier zurück, die sind hinter dir her!" Dann warf ich einen Blick den Weg hinunter und sah dort am Rande des Weges das Hubschrauberwrack liegen, das wohl auch für das Feuer verantwortlich war. Es war alles, wie in diesem merkwürdigen Traum, nur dass ich diesmal wusste, woher der Hubschrauber kam. Es war der, den die Explosion von der Plattform hinunterschleuderte.
    "Lauf!", sagte ich nochmal, als sie sich nicht rührte. "Vertrau mir!"
    AnnaSophia standen die Tränen in den Augen, sie gab mir einen Kuss und rannte dann weiter. Auch sie konnte nicht mehr lange.
    "Das hält sie nie durch", meinte Dave.
    "Ich weiß, aber das muss sie auch gar nicht.", sagte ich und meine Beine versagten. Ich konnte nicht mehr weiter. "Dort vorne beim Hubschrauber lauern die Kerle ihr auf."
    "Was? Du weißt das und lässt sie trotzdem gehen?", fragte Dave entsetzt.
    "Wir müssen jetzt erst an uns denken.", sagte ich schnell. "Der Baum da wird gleich umstürzen."
    Als wollte er meine Worte bestätigen knackte der Baum plötzlich laut und ächzte unter seinem eigenen Gewicht.
    Im Traum war ich nicht davon gekommen, aber diesmal war Dave bei mir. Wir stützen uns gegenseitig und schafften es so gerade noch unter dem Baum hervor zu hechten, bovor dieser auf den Waldweg knallte.
    Ich richtete meinen Blick auf AnnaSophia, die sich gerade gegen eine Schar Männer zu verteidigen versuchte.
    "Gleich ist es soweit.", flüsterte ich. "Bitte, bitte, bitte... macht schnell."
    "Wer soll schnell machen?", fragte Dave. "Und wieso jagen die AnnaSophia immernoch?"
    Dann wurde der Himmel blutrot, wie ich es erwartet hatte. Die Männer hielten inne, keiner rührte sich mehr. AnnaSophia nutzte die Gelegenheit wieder zu uns zu rennen und ließ sich keuchend neben uns auf die Knie fallen.
    "Sie haben es geschafft.", keuchte ich. "Er ist tot."
    "Unser Lordi war tatsächlich erfolgreich.", begriff auch Dave.
    Ich raffte mich noch einmal auf, um zu AnnaSophia zu kommen. Sie legte ihren Arm um mich und ich flüsterte kraftlos: "Jetzt kannst du danken... aber nicht uns... dank Lordi und vander..."
    Ich kam nichtmehr dazu, den Namen vollständig auszusprechen. Mein Kopf fiel in ihren Schoß und ich versank in eine Art tiefen Schlaf. Fühlte sich so etwa die Starre an? War es jetzt mit mir vorbei? Meine Gedanken verschwammen und sogar in meinem Kopf wurde alles schwarz.

  • "Wie gehts ihm?", hörte ich jemanden sagen.
    "Er erholt sich langsam, nicht so schnell wie Lordi, aber er erholt sich.", antwortete jemand anderes.
    "Die armen Jungs, was sie für mich alles durchstehen mussten. Es tut mir richtig leid für sie.", sagte die erste Stimme wieder. Das musste AnnaSophia sein.
    "Das ist nicht deine Schuld. Keiner hat uns gezwungen dir zu helfen. Wir sind alle freiwillig dabei gewesen, also sind wir auch alle selbst schuld."
    "Aber..."
    "Keine Widerrede. Du kannst nichts dafür. Eigentlich ist ja nur dieser Chaot da an allem schuld, weil er dich zum Vampir gemacht hat, was dann wiederum bei Anselm Hoffnungen ausgelöst hat."
    "Das hab ich gehört...", flüsterte ich.
    "Sieh mal einer an, wer da wieder wach ist. Na, alles klar?", fragte die andere Stimme.
    Ich öffnete die Augen einen Spalt breit. Ich konnte über mir die weiße Decke eines Zimmers erkennen. Schon wieder ein Krankenhaus? Ich drehte den Kopf leicht zur Seite und war mir dann sicher: schon wieder ein Krankenhaus! Ich bin eindeutig zu oft in solchen Einrichtungen.
    AnnaSophia stand neben meinem Bett und ihr gegenüber erkannte ich Dave auf der anderen Seite des Bettes.
    "Alles klar.", bestätigte ich. "Und bei euch?"
    AnnaSophia neben mich gesetzt und streichelte mir über den Kopf.
    "Nicht zuletzt dank dir geht es mir jetzt gut.", sagte sie.
    "Mir gehts auch blendend.", meinte Dave.
    "Was ist mit den Anderen?", fragte ich und wurde nervös. Hatten es alle geschafft davonzukommen?
    "Kingwitty und Shengo haben es bis zu dem Teich geschafft und wurden dort zum Glück nicht entdeckt. Marcus, Roflduhastlol und Webmaster wurden erst gar nicht verfolgt und wie es uns ergangen ist, weißt du ja.", zählte Dave auf.
    "Was ist mit Lordi und vander Blad? Und ist Mindful wieder aufgetaucht?", bohrte ich nach.
    "Mindful ist unverletzt und kümmert sich gerade um Lordi. Der hat schon einiges abbekommen. Und was vander Blad angeht..." Dave brach ab und schwieg.
    "Tot...?", hauchte ich. Dave nickte. Mir schossen die Erinnerungen durch den Kopf. Unser erstes Treffen im Flugzeug, sein dussliges Verhalten, wie AnnaSophia mich vor seinen Kugeln rettete und unser letztes Treffen auf der Plattform. Dieser Mann hatte seinen Platz in meinen Erinnerungen für immer gefunden. Ich trauerte ein wenig im Stillen um ihn und auch Dave und AnnaSophia schwiegen eine Weile.
    Dann trat Mindful an das Bett heran.
    "Aha, unser Patient erholt sich also auch so langsam.", meinte er und notierte etwas auf einem Klemmbrett. "Irgendwelche Schmerzen?"
    "Nein, mir gehts gut. Was ist mit Lordi?"
    "Er erholt sich genau wie du, nur schneller. Seine Verletzungen waren aber auch schlimmer, deswegen ist er noch nicht aufgewacht."
    "Verstehe. Was für ein Glück."
    "Ich muss jetzt wieder nach ihm sehen. Ihr entschuldigt mich?", sagte Mindful und verließ das Zimmer.
    "Dave?"
    "Ja?"
    "Danke. Danke, dass du an meiner Seite gekämpft hast. Danke, dass du mir vertraut hast, als wir im Wald waren. Und danke, dass du jetzt hier bist."
    "Wow, das überrascht mich jetzt schon ein bischen. Bist du sicher, dass du nichts gegen den Kopf bekommen hast?"
    Dave grinste. Aber das Grinsen verging ihm schnell, als er AnnaSophias Blick sah, der ganz deutlich sagte: Lass uns allein!
    "Ich... ääh... werd mir mal was zu essen holen. Wir sehen uns später.", stammelte Dave zusammen. "Ach und... ich danke dir auch."
    Er ging zur Tür, zwinkerte AnnaSophia zu und verließ das Zimmer.
    "Endlich allein.", sagte AnnaSophia, legte sich neben mich ins Bett und kuschelte sich an mich.
    "Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist.", flüsterte ich und legte meinen Arm um sie.
    Die Tür ging auf und Lordi trat ein, gefolgt von Mindful, der damit offenbar nicht ganz einverstanden war.
    "Lordi, leg dich wieder hin. Deine Wunden können doch unmöglich schon..."
    "Ich weiß, wann ich aufstehen kann und wann nicht.", sagte Lordi gereizt. "Hör auf an mir rumzuzerren. - Oh. Stör ich euch gerade bei irgendwas?"
    "Schon ok. Jetzt ist es eh zu spät. Du hast den Augenblick schon zerstört.", sagte ich kalt. AnnaSophia ließ sich nicht stören und blieb an mich gekuschelt liegen.
    Er stellte sich neben das Bett.
    "Das tut mir jetzt leid.", sagte er und kratzte sich am Kopf.
    "Also rück raus damit, was willst du?"
    "Dir einige Fragen beantworten. Ich bin mir sicher, dass du welche hast."
    Ich dachte gründlich nach.

  • "Ja, ich hätte da eine Frage: Wieso haben sich diese Typen im Wald nicht mehr gerührt, als der Himmel rot wurde?", fragte ich.
    "Gleich am Anfang so eine schwierige Frage? Na gut... Also zunächst: der Himmel wurde rot, als Anselm das zeitliche gesegnet hat. Er war ein Vampir der dritten Generation, dafür aber ziemlich stark, da er dem Blanchard-Clan angehörte, der von allen Clans die mächtigsten Fähigkeiten besaß. Doch mit Anselms Tod dürfte der Clan ausgerottet sein, soweit ich weiß. Jedenfalls besaß er neben seiner Schnelligkeit auch die Fähigkeit, die Gedanken seiner Diener zu steuern. Nach seinem Tod steuerte niemand mehr diese Diener, also waren es nichts weiter als seelenlose Körper, die mit der Zeit zerfallen werden."
    "So ist das also... Ich hab da noch eine Frage: Haben alle Vampire diese Flügel?"
    "Nur die aus unserem Clan."
    "Soll das heißen...?"
    "Du bist einer der zähesten Vampire, die ich bisher gesehen habe.", unterbrach er mich. "Ich bin froh, dass du dich so gut entwickelt hast."
    "Danke. Aber wie meinst du das, ich habe mich gut entwickelt?"
    "Nun, du hast seit deiner Erschaffung gute Fortschritte gemacht.", erklärte Lordi. "Ich bin dein Meister, ich habe dich zum Vampir gemacht."
    Ich schwieg. Dann fiel mir etwas ein: vielleicht wusste er ja...
    "Lordi? Oder Meister? Meister Lordi?"
    "Nenn mich einfach Lordi, AnnaSophia nennt dich ja auch nicht Meister.", sagte Lordi freundlich.
    "So weit käms noch.", lachte AnnaSophia.
    "Ok, Lordi. Gibt es einen Weg, wieder zum Menschen zu werden?", fragte ich und hoffte, endlich eine Antwort zu finden.
    "Ich will den Grund, aus dem du fragst, lieber gar nicht erst wissen.", meinte Lordi.
    AnnaSophia sah mich mit ihrem süßesten Blick an und kuschelte sich noch mehr an mich.
    "Ääh Lordi, du bringst mich in eine unangenehme Situation...", stammelte ich und wurde rot – was bei einem Vampir eher blaßrosa aussah.
    "Ich wusste es; diese Bilder bekomm ich jetzt wieder ewig nicht aus dem Kopf."
    "Dann denk einfach nicht dran."
    "Wieso beißt du nicht einfach irgendein Kind und machst es auch zum Vampir, dann wäre das Problem doch gelöst..."
    Aus dem blaßrosa wurde jetzt ein richtig satter Rosaton, beinahe schon hellrot.
    "Lordi... Red doch keinen... Das ist doch nicht der einzige Grund, aus dem ich... also... was denkst du schon wieder von mir?"
    AnnaSophia musste lachen und sagte dann: "Na los Lordi, gib ihm eine Antwort. Er denkt dabei auch an andere Dinge als... du weißt schon."
    "Sex?", eränzte Lordi. "Aber sicher doch. Dich scheint das Thema aber auch nicht kalt zu lassen."
    "Lordi, ich meins ernst." Jetzt wurde auch AnnaSophia ein wenig rot.
    "Na gut, wenn ihr nicht offen drüber reden wollt..."
    "Komm schon Lordi. Es geht nicht nur um... um Sex. Er wollte mir einfach das normale Leben ermöglichen, das ich vor seinem Biss geführt habe."
    "Und willst du das denn auch?", fragte Lordi.
    "Naja, für mich hat sich nicht viel geändert, aber..."
    "Also gehts euch doch nur darum..."
    "Lordi, bleib doch bitte einmal ernst." AnnaSophia war inzwischen ziemlich rot angelaufen.
    "Ich finds ja sehr nett von euch, dass ihr mich so tief in eure Persönlichkeit schauen lasst, aber..."
    "Lordi!", kam es von AnnaSophia und mir gleichzeitig.
    "...aber leider kann ich euch da auch nicht weiterhelfen."
    "Nach dem Theater, dass du hier veranstaltet hast, ist das aber schon etwas enttäuschend.", meinte ich.
    "Theater? Ich hab doch nur das ausgesprochen was ihr beiden Turteltauben euch gedacht habt. Es spricht übrigens nichts dagegen, wenn ihr das als Vampire tut. - Na gut, vielleicht fühlt man etwas weniger dabei, aber im Endeffekt..."
    "Sag mal Mindful, muss unser Lordi sich nicht noch ein bischen ausruhen?", sagte ich schnippisch und Mindful, der so tat, als wäre er unserem Gespräch überhaupt nicht gefolgt hörte auf zu grinsen und zerrte wieder an Lordi rum. "Da hat er allerdings recht. Auf gehts Lordi, ab in dein Zimmer."
    "Na vielen Dank auch.", sagte Lordi.
    "Du konntest ja einfach nicht aufhören.", entgegnete ich mit einem Grinsen.
    "Ich werde dafür sorgen, dass das ganze Krankenhaus von euren schmutzigen Gedanken erfährt.", grummelte Lordi. Wir liefen wieder beide rot an.
    "Nein, im Ernst jetzt.", sagte Lordi. "Tut mir Leid, dass ich da nicht helfen konnte. Natürlich wird niemand was erfahren."
    Als Lordi die Tür geöffnet hatte fügte er jedoch hinzu: "Naja, niemand außer Witty hier, der mal wieder an fremden Türen lauscht. Bis später, ihr zwei."
    Kingwitty musste sich gegen den Türrahmen lehnen, um nicht vor Lachen umzufallen.
    "Na echt super – bald weiß es das ganze Krankenhaus.", sagte ich.
    "Wäre das so schlimm?", fragte AnnaSophia. Ich sah sie ein bischen erstaunt und verlegen an.
    Dann drückte sie sich fest an mich und insgeheim freute ich mich schon auf den Tag, an dem ich vielleicht doch noch die Formel zu Menschwerdung fand.


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    Abschlussbemerkungen:


    Wie nicht anders zu erwarten war, sickerte am Ende doch noch etwas von unserer Unterhaltung mit Lordi durch, obwohl Kingwitty und Mindful uns hoch und heilig versprochen haben, es nicht an die große Glocke zu hängen. Jedem, dem wir an diesem Tag über den Weg gelaufen sind hat uns nur schief angegrinst – das war vielleicht peinlich.


    Zu Lordi und Marcus, meinem Meister und quasi meinem 'Bruder', hielt ich seitdem immer den Kontakt. Lordi unterstützte meine Suche nach Möglichkeiten, wieder zum Menschen zu werden, während Marcus in einer 'Organisation', wie er es mir gegenüber immer nannte, tätig wurde, die scheinbar zu AnnaSophias Schutz diente.


    Es stellte sich heraus, dass der Blanchard-Clan mit Anselms Tod noch nicht ganz ausgerottet war, doch die wenigen, die noch am Leben waren, beteuerten, dass sie nichts mit Anselms Plänen zu tun hatten. Richtig glaubhaft waren sie zwar nicht, aber wir konnten sie nicht einfach auf Verdacht angreifen.


    Als schließlich die Zeit für unsere Heimreise nach Denver gekommen war, verabschiedete sich AnnaSophia persönlich von jedem. Wer wollte, durfte Fotos schießen und bekam auf Nachfrage auch ein Autogramm darauf. Außerdem richteten wir eine E-mail-Adresse ein, damit die Forenmitglieder jederzeit an AnnaSophia schreiben konnten.
    Auch mir fiel der Abschied schwer. Vor allem mit Dave verband mich mehr, als ich je gedacht hätte.
    Dann stiegen wir in unser Flugzeug. Durch das Fenster konnte man in der Ferne die Alpen bewundern, bis das Flugzeug eine Kurve flog und wir all das hinter uns ließen.

  • Das ist wirklich eine tolle Geschichte geworden, sehr gut zu lesen, super unterhaltung.
    Die Idee mit den Vampiren ist richtig gut.
    Kompliment an dieser Stelle :thumbsup:
    Eigentlich wollte ich mich noch darüber echofieren, dass ich wegen ein bisschen Blut einfach umkippe, als ich die entsprechende stelle gelesen habe, aber da das ja erstens "künstlerische Freiheit" ist und es zweitens nur gespielt war, kann ich lächelnd darüber wegsehen :D :D


    Aber:


    Wenn du vorhast, das ganze zu übersetzen, um es AnnaSOphia zu schicken,
    solltest du ein paar Szenen ändern, sonst könnte sie sich verletzt
    fühlen. Ich glaube, ich brauch jetzt nicht weiter ausführen, was ich
    meine, das hat LORDI schon in der Geschichte vortrefflich erklärt. ^^ ^^

  • Ja die Stelle hab ich mir wirklich mehrfach durch den Kopf gehen lassen - und im Endeffekt bleibt ja doch noch alles offen... ;)
    Ich glaub aber trotzdem, dass die englische Version an der Stelle wohl etwas abweichen wird :whistling:
    An dieser Stelle möchte ich jetzt übrigens auch mal gesagt haben: nichts, was ich da zusammentippe entspricht der Realität, alles künstlerische Freiheit, wie du schon erwähnt hast, also fühlt euch nicht zu direkt angesprochen :whistling:;)


    Aus der Sache mit dem Blut hab ich mich wohl grad noch mal so rausgezogen :P:D